Am 25. November ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, seit diesem Tag wird im Kanton Bern mit einer Plakatkampagne auf häusliche Gewalt aufmerksam gemacht. Auch Worb beteiligt sich, um Betroffenen und Helfenden aus unserer Gemeinde aufzuzeigen, wo sie Unterstützung finden können. In einem Gespräch zeigen Gemeinderätin Karin Waber und Stephan Leiser, Leiter der Sozialdienste Worb, auf, dass häusliche Gewalt keine Privatangelegenheit ist.
Die Zahlen im Jahresbericht der Berner Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt sind ernüchternd. 2023 registrierte die Kantonspolizei Bern über 4 Straftaten pro Tag im häuslichen Bereich. Im gleichen Zeitraum berieten die Opferhilfestellen pro Werktag 5 Personen wegen häuslicher Gewalt. In über 70 % der Fälle sind Frauen und Kinder betroffen. Ausgeglichener ist es bei der psychischen Gewalt, der häufigsten Form der Gewalt in Paarbeziehungen, davon sind Frauen und Männer gleichermassen betroffen. Diese Zahlen dürften jedoch nur die Spitze des Eisberges abdecken, ein grosser Teil dieser Delikte kommt nie zur Anzeige. Schweizweit gipfelt häusliche Gewalt alle 2 Wochen in einem Tötungsdelikt. Auch hier ist der Grossteil der Opfer weiblich, es handelt sich dabei also um Femizide. Erst seit 2004 wird in der Schweiz körperliche und sexualisierte Gewalt in Ehe oder Partnerschaft von Amtes wegen verfolgt und bestraft. Trotzdem sind diese Gewaltdelikte immer noch mit Scham oder Tabus behaftet und den Opfern wird eine Mitschuld zugesprochen. Für Karin Waber, Departementsvorsteherin Soziales, ist es ein wichtiges Anliegen auch hier in Worb ein Zeichen gegen häusliche Gewalt zu setzen. «Die Beteiliung an der Kampagne ist ein wichtiger Auftrag der Gemeinde für die Bevölkerung. Gewaltbetroffene müssen wissen, wo sie Hilfe bekommen.» Stephan Leiser fügt an: «Es gibt oft die Vorstellung, dass es häusliche Gewalt in der eigenen Lebenswelt nicht gibt. Das ist ein Trugschluss. Das ist ein weiterer Grund, warum sich Worb an der Kampagne beteiligt. Es geht auch um Aufklärung.»
Es braucht Zivilcourage
Gründe, die zu Gewalt führen, gibt es wohl so viele, wie es Täter gibt. Oft sind es Überforderung in Konfliktsituationen, Eifersucht, Gewalterfahrungen in der Kindheit oder Besitzansprüche der Täter, die die Gewaltspirale antreiben. Ebenso führt die Frage, warum sich die Opfer nicht von den Tätern trennen, nicht weiter. Häufig besteht eine emotionale oder ökonomische Abhängigkeit und Trennungsabsichten führen oft zur Eskalation. Ohne Unterstützung ist es schwer aus einer Gewaltbeziehung herauszukommen. Doch Karin Waber sieht nicht nur die Behörden, sondern auch die Gesellschaft in der Pflicht. Gerade im Hinblick darauf, dass es in der Schweiz nicht genug Schutzhäuser für betroffene Personen gibt oder diese überbelegt sind. «Es ist auch an der Gesellschaft Personen Unterstützung in Form von Gesprächen zu bieten. Vielleicht hat man sogar die Möglichkeit eine betroffene Person vorübergehend bei sich aufzunehmen, bis eine gute Lösung gefunden worden ist.» Für sie steht fest, wegschauen geht nicht. Doch was tun, wenn sich ein befreundetes Paar immer wieder lautstark streitet, der Nachbar oder die Freundin regelmässig Blessuren hat? Wie und wo spricht man eine betroffene Person an? Verständlicherweise scheuen sich die meisten davor, sich in die Beziehung von anderen einzumischen. Auch Stephan Leiser appelliert an die Zivilcourage: «Jeder erste Schlag ist einer zu viel. Es braucht eine klare Haltung: Gewalt akzeptieren wir nicht. Schafft man es jemanden anzusprechen, ist das schon viel.» Hat man den Verdacht, dass jemand aus dem persönlichen Umfeld von Gewalt in der Beziehung betroffen ist, rät Stephan Leiser sich in jedem Fall bei einer Opferberatungsstelle zu melden und die beobachteten Vorfälle mit Profis zu besprechen und einzuordnen. Auf diese Weise bekommt man auch Vorschläge, wie man die Betroffenen am besten unterstützen kann. Und wichtig ist, es gibt auch Beratungsangebote für Täter. Ehrlicherweise muss man sich aber eingestehen, schlägt ein Partner, eine Partnerin erst mal zu, ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Es geht also auch um Prävention, doch wo soll man ansetzen? Müsste in der Schule gelehrt werden, wie man Konflikte löst und Gefühle richtig einordnet? Für Stephan Leiser ein klares Ja, doch er bezweifelt, ob die Schulen Worb diesbezüglich noch mehr leisten können. «Die Schule als Institution leistet bereits unheimlich viel und übernimmt Verantwortung. Mit der Neuen Autorität beispielsweise, die im Oberstufenzentrum Worbboden praktiziert wird und zu der auch gewaltfreie Kommunikation gehört, sind die Schulen meiner Meinung nach auf einem guten Weg.» Karin Waber fügt an: «Wie man Konflikte löst, da müsste man schon beim Kleinkind anfangen.» In Worb selbst gibt es keine Beratungsstellen, man könne sich aber im Notfall bei der Polizei oder den Sozialen Diensten melden. Stephan Leiser betont jedoch, dass die Sozialabteilung keine Anlaufstelle ist und für Betroffene, die schnell Unterstützung benötigen, das geschulte Personal bei einer Fachstelle die bessere Option ist. AW
Der vollständige Bericht der Berner Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt finden Sie HIER.
Beratungsstellen für Opfer und Täter
Opferhilfe Bern
031 370 30 70
www.opferhilfe-bern.ch
Lernprogramm gegen häusliche Gewalt
079 308 84 05
www.be.ch/gewalt-beenden