Vom Regen in die Traufe

Die alte Redensart beschreibt den Übergang von einem Übel in ein noch grösseres. Bei Regen sammelt sich das Wasser auf Dachflächen und fliesst an deren Ende, der Traufe, gesammelt herunter. Wer sich unter einem Vordach vor dem Regen schützen will, kann in die Traufe geraten und wird so statt nur nass gleich patschnass.

Vor nunmehr über 2 Jahren wurden wir weltweit von einem neuartigen Virus heimgesucht, welches gesamtgesellschaftlich viel von uns abverlangt hat. In unserer Hilflosigkeit – die nota bene bis heute anhält – versuchten wir uns mit allerhand Massnahmen davor zu schützen. Social Distancing, Teststrategie, Lockdown, Maskenpflicht, Einreisequarantäne, Homeoffice-Empfehlung, Händehygiene, Booster-Impfung, Isolation oder Videokonferenzen wurden zu neuen, allgegenwärtigen Schlagwörtern und wir verpflichteten uns zum sogenannt solidarischen Vorsatz, «Vulnerable» zu schützen, Inlandreisen zu bevorzugen, soziale Freizeitaktivitäten zu reduzieren, griechische Buchstaben zu lernen und uns für Spitalbettbelegungen und für freie Intensivpflegeplätze zu interessieren.

Effektiv bekämpft oder ausgerottet haben wir das Virus damit nicht, die Durchseuchungsstrategie geht gemessen an den unzähligen Reinfektionen bislang nicht auf, über die Langzeitfolgen, welche insbesondere die jungen Mitglieder unserer Gesellschaft betreffen, wissen wir noch herzlich wenig und trotzdem sind wir der Massnahmen und der medialen Berichterstattung überdrüssig geworden und scheinen nun nach so langer Zeit einen Blindflug zu bevorzugen. Selbstverantwortung und das Narrativ der Grippeähnlichkeit scheinen Teil der Lösung zu sein.

Unmittelbar nach der Ankündigung der Rückkehr zur «normalen Lage» wurde nun aber unser zurückerlangtes Glück von einer kriegerischen Aktivität auf europäischem Boden überschattet. Nach dem Regen ist nun also kein Sonnenschein in Sicht, sondern ein Traufeschwall sondergleichen. Ein Krieg mit jungen Soldaten, Panzern, Raketen und Kriegsflugzeugen, toten Zivilisten und zerstörten Städten, ganz entgegen allen Erwartungen. Nichts von Cyberwar und ferngesteuerten High-Tech-Drohnen. Krieg ganz klassisch und mitten in der Kornkammer Europas. Die kriegerischen Handlungen betreffen zurzeit «nur» das ukrainische Territorium und wir bewegen uns auf das warme Halbjahr zu, die wirtschaftlichen Auswirkungen, energie- und finanzpolitische Fragen sowie die ausgelöste Flüchtlingswelle stellen uns aber jetzt schon vor grosse Herausforderungen. Unsere solidarischen Massnahmen lassen sich aber zeigen: Gemeinden und Private schaffen unzählige Möglichkeiten, die Geflüchteten, mehrheitlich Frauen und Kinder, bestmöglich zu beherbergen. Wir passen unsere Asylverfahren an, bieten administrativ unkomplizierten Schutzstatus und offerieren den Schutzsuchenden Kommunikationsmittel, Fortbewegungsmöglichkeiten und einen sofortigen Einstieg in die Schul- und Arbeitswelt. Wir machen es gut, denn schliesslich sind wir Nachbaren und sehen einander ähnlich und möchten selbst in vergleichbaren Situationen wohl ebenso behandelt werden.

Im Vergleich zur Pandemie lassen sich allerdings die Geflüchteten dann nicht als Grippe wegdiskutieren, sobald wir der Massnahmen und der Solidarität nach einer gewissen Zeit überdrüssig werden. Unsere Durchhaltefähigkeit ist jetzt noch viel intensiver gefragt. Ausserdem wäre wünschenswert, dass weder Corona mit einer neuen Variante oder mit neuen Erkenntnissen noch eine Hitzewelle, eine Strommangellage oder unsere reduzierte Gripperesistenz uns zusätzliche Krisen in der Krise bescheren und uns unter der Traufe stehen lassen. Ich bin gespannt, wie wasserfest wir als Gesellschaft sind.

Andy Marchand

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