Wie wertschätzen Sie einen Feiertag? Gehören Sie zu den Menschen, die am Feiertag über dessen Sinn und Herkunft nachdenken? Oder doch eher zu jenen, die sich über einen freien Tag freuen? Oder bevorzugen Sie den Mittelweg: Erst «die Seele baumeln lassen» und in den geschenkten Tag hineinleben – die Ideen und Gedanken kommen dann fast von allein. So geht es mir meistens. 

Nun steht der nächste Feiertag unmittelbar bevor: der 1. August. Das Land, aus dem ich stamme, kennt keinen so mythenbedachten Nationalfeiertag. Als mein ursprüngliches Heimatland neu gegründet wurde, war ich am Fernseher dabei. Ich musste mich nicht auf eine Bergwiese begeben, um Augenzeuge der Zeremonie zu werden. Ebenso führten Schulreisen nicht zum geschichtsträchtigen Ort. Und es gab auch keinen Schwur zu leisten, schon gar nicht vor dem Fernsehgerät daheim.

Vielleicht deshalb kann ich – auch als Nicht-Eid-Genosse – über den kommenden Feiertag trefflich sinnieren. Zum Beispiel habe ich mir so manches Mal vorgestellt, wie die Besiegelung des Bundes damals wirklich abgelaufen sein könnte. Und ich habe viel Fantasie, das dürfen Sie mir glauben.

Das Geschehen der Gründungsgeschichte liegt in ferner Vergangenheit. Heute orientieren wir uns an der Überlieferung. Oder wir lesen eine neuzeitliche Erzählung, wie die von Friedrich Schiller, welche die Fantasie so intensiv zu beflügeln vermag und dazu aufruft, den Idealen der Helden seines Dramas zu folgen.

Gleichwohl: Einen Eid muss heutzutage niemand mehr schwören, um gemeinsam mit anderen «ein einzig Volk von Brüdern und Schwestern» zu sein.

Ich erlaube mir deshalb einen anderen Impuls: Besuchen Sie am Feiertag einen Ort, an dem Sie Freunde, Nachbarn, Bekannte und Unbekannte beim Apéro treffen, zusammen die Gedanken ausschweifen lassen und erzählen. Hören Sie sich die 1.-August-Rede hier im Dorf an oder besuchen Sie eine der zahlreichen kulturellen Veranstaltungen im Berner Umland. Für mich ist das in heutiger Zeit ein erstrebenswerter Bund: sich im Alltag begegnen, einander zuhören, zusammen geniessen und feiern, Gemeinsamkeiten entdecken – über den 1. August hinaus.

Und falls Sie den Feiertag verstreichen lassen – weil Sie lieber für sich bleiben möchten, weil das Leben gerade nicht nach Feiern ist oder weil Sie Dienst tun für andere – dann ist das ebenso in Ordnung. Jeder und jede in diesem Lande ist Teil des Bundes, den die Erstgenossen beschworen und den viele Generationen danach lebendig erhalten haben.

MICHAEL SCHÄFFNER

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