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Marika Lange will mit ihrer Maturaarbeit die Stille rund um das Thema Menstruation brechen. Bild: zvg

Worber Jungforscherin: Menstruation – (k)ein Thema, das alle betrifft?

Die Worberin Marika Lange hat mit ihrer Arbeit «The Stain: The Role of Menstruation in U. S. American Society at the Turn of the 20th Century and Today» ein bemerkenswertes Statement zur Rolle der Frau in der westlichen Gesellschaft abgegeben.  

Es ist Sommer und heiss. Die Menschen schwitzen. Deshalb braucht sich niemand zu schämen. Das ist ganz normal. Anders Frauen, die gerade menstruieren. Obwohl die meisten von uns behaupten würden, in einer aufgeklärten, offenen Gesellschaft zu leben, ist das Thema Menstruation immer noch mit Scham behaftet und wird geheim gehalten. Frau spricht nicht gerne und Mann weiss nicht viel darüber. Und dies, obwohl es ein natürlicher biologischer Vorgang ist. Die 19-jährige Marika Lange hat bereits seit ihrer ersten Menstruation im Alter von 12 Jahren viel über den sozialen Kontext dieses Themas nachgedacht. Obwohl die Menstruation ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens ist, schien diese unsichtbar zu sein. Aufgrund der Stille rund um das Thema hat Marika Lange tiefe Gefühle von Scham, Ignoranz und Negativität verspürt. Marika Lange hat diese nicht verdrängt. Das würde auch gar nicht zu einer so aufgeschlossenen, differenzierten und Lebensfreude versprühenden jungen Frau passen. Stattdessen hat sie das Thema zu ihrer Maturaarbeit gemacht. Im Freundeskreis stiess die Arbeit auf positives Echo und Marika wurde zur Teilnahme am Nationalen Wettbewerb Schweizer Jugend forscht 2023 ermuntert. Sie nutzte die Plattform des Wettbewerbs, um ihre Arbeit auszubauen sowie ihre Erkenntnisse mit einer Videoserie durch Aussagen aus der Öffentlichkeit zu überprüfen. Sie schloss ihre Arbeit mit dem Prädikat «hervorragend» ab und erhielt einen Sonderpreis in Form eines internationalen Camps, einer Woche, in welcher sich Jugendliche gemeinsam mit Wissenschaft auseinandersetzen. 
Die Arbeit basiert vorwiegend auf in den USA durchgeführten Studien, weil dieses Thema dort wesentlich besser erforscht wurde als hier. Werfen wir daher einen Blick in die Vergangenheit der US-amerikanischen Gesellschaft, welche sich sehr gut auf allgemein westliche Gesellschaften übertragen lässt.

Der Mythos der Hysterie  
Ende des 19. Jahrhunderts herrschte in der Medizin allgemeiner Konsens darüber, dass Frauen aufgrund ihrer Fortpflanzungsorgane Krankheiten hätten, an denen kein Mann leiden könne. Unter anderem wurde Menstruation als Ursache für Hysterie (aus dem griechischen hystera, Gebärmutter, bis weit in das 20. Jahrhundert als Krankheit diagnostiziert) angesehen. Namhafte Mediziner verbreiteten die Theorie, dass gleichzeitige mentale oder körperliche Arbeit und Menstruation die Gesundheit und Fruchtbarkeit der Frauen gefährden (und zu Hysterie führen) würde. Beim Absolvieren einer (Hochschul-)Ausbildung etwa würden junge Frauen unweigerlich ihre Gesundheit und Fortpflanzungsorgane schädigen, was das Ende der Menschheit zur Folge haben könne. Da sowohl das Ausbleiben wie Unregelmässigkeiten oder aber zu starke Menstruation angeblich zu Hysterie führte, konnte eine Frau demnach jederzeit als verrückt eingestuft werden. Eine andere Studie riet aus­serdem von körperlicher Arbeit in der Industrie ab, da auch schwere körperliche Arbeit sich negativ auf die Frauen auswirken könnte. Pikanterweise wurde die Ausübung von Hausarbeit nie als schädigend für die Frauen eingestuft, obwohl sie in dieser Zeit durchaus mit grosser körperlicher Anstrengung verbunden war. Die oben genannten Argumente wurden durch empirische Untersuchungen von feministischen Forscherinnen widerlegt. Trotzdem (oder weil diese Befunde auf von Frauen durchgeführten Forschungen basierten?, fragt sich hier die Autorin) hielten sich die oben genannten Vorurteile bis Anfang 20. Jahrhundert. Auf diese Weise wurden Frauen von der Ausübung bestimmter Berufe ausgeschlossen und mussten auf weniger gut entlohnte Berufe zurückgreifen. Sie wurden auf ihre Fähigkeit reduziert, zu menstruieren und Kinder zu gebären. 

Geheimhaltung und Stigmatisierung
Mit der Emanzipation des Frauenbildes veränderte sich der Blick auf die Menstruation. Diese ist heute nicht mehr mit dem starken Fokus auf Fruchtbarkeit und die Reduktion der Frau auf Hausarbeit und Nachwuchs verknüpft. Allerdings ging damit auch die Wahrnehmung verloren, die Menstruation als prägenden Teil des weiblichen Körpers anzuerkennen. Heute ist das Thema Menstruation aus der Gesellschaft verschwunden. Frauen werden offiziell oder zumindest auf dem Papier gleichbehandelt. Doch in der Wahrnehmung der Gesellschaft ist der Standardkörper ein unveränderlicher, nicht blutender Körper und die Menstruation somit ein Thema, das auf Schweigen und Verheimlichung beschränkt ist, was zu Benachteiligung der Frauen in vielerlei Hinsicht beiträgt. Ergebnisse einer jüngeren Studie zeigten, dass eine menstruierende Frau sowohl von Männern als auch von Frauen als weniger sympathisch, attraktiv und kompetent beurteilt wurde als eine Frau mit unbekanntem Menstruationsstatus. Dies führt unweigerlich zur Geheimhaltung der Menstruation. Ein Teufelskreis. «Die Stigmatisierung geschieht auf subtile Weise», meint Marika Lange. «Niemand sagt dir als junges Mädchen, dass du nicht darüber reden darfst. Aufgrund gewisser Reaktionen und Verhaltensweisen lernt aber jedes Mädchen sehr früh, dass ein offener Umgang mit dem Thema offenbar nicht erwünscht ist. Ich hoffe auf eine ausgeglichenere Gesellschaft. Diese lässt sich allerdings nicht einfach neu designen. Mir ist es ein Anliegen, dass wir die Hintergründe des stigmatisierenden Umgangs mit dem Thema Menstruation hinterfragen und deren Auswirkungen verstehen lernen. Dazu gehört unweigerlich eine Auseinandersetzung mit Ungleichsetzung und patriarchalen Strukturen in der Gesellschaft. Und dass gerade wir Frauen nicht einfach fraglos Handlungen und Haltungen übernehmen, die uns weitergegeben wurden.» Marika Lange richtet ihren klaren Blick in die Ferne. Sie will Biologie studieren und ihre Vision ist es, das dabei erworbene Wissen einst mit dem sozialen Kontext zu verknüpfen.  FRANZISKA NIKLAUS

The Stain: The Role of Menstruation in U. S. American Society at the Turn of the 20th Century and Today
Hier gehts zur Maturaarbeit von Marika Lange
Hier gehts zum Youtube-Kanal von Marika Lange

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