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Vis-à-vis mit Michael Dieterle, Erd-Verbundener

«Vor drei Wochen hatten wir Diplomfeier. Als frisch ausgebildeter Bio-Landwirt durfte ich das Fachzertifikat mit der Abschlussnote 5,3 entgegennehmen –  tiptop. Für die Feier musste ich noch etwas Alphorn üben. Ich hatte mit dem Instrument noch nie zu tun, spiele aber seit Jahren Posaune, weshalb ich mit der ähnlichen Atem- und Blastechnik vertraut bin, bereits das Mundstück passte bestens auf das Alphorn. Ein paar Tage vorher hatte ich auf dem Worber Radieslihof geübt, ganz zur Überraschung der Hühner und Laufenten. Fünf Lieder durfte ich an der Feier zum Besten geben. Sogar mein selbstgeschriebenes Lied ‹All cows are beautiful› kam gut bei den Anwesenden an.

Mein Interesse für unsere Erde bahnte sich bereits in der Gymer-Zeit an, als ich das Ergänzungsfach Geografie wählte. Nach der Matur meldete ich mich für ein Studium an der ETH an, studierte Erdwissenschaften, machte den Bachelor und Master, arbeitete danach in einem Geologiebüro. Aber bereits während meiner Zeit als Studierender wuchs meine Sehnsucht nach einer weniger kopflastigen Tätigkeit. Am wohlsten fühlte ich mich immer beim Gemüseanbau auf den Balkonen meiner WG’s.

Schritt für Schritt entfernte ich mich vom Bedürfnis, in eine Leistungsgesellschaft hineinzuwachsen. Mit den Problemen, die wir heute haben, kann die Geologie nicht viele Lösungen bieten – ganz im Gegensatz zur Landwirtschaft mit der ganzen Produktionskette dahinter. Die Regenerative Landwirtschaft interessiert mich speziell. Das Augenmerk auf den Boden richten, ist für mich die Devise, diesen gesund zu erhalten bzw. wieder zu beleben, gerade wegen der stark mechanisierten Landwirtschaft. Immer schwerere Traktoren mit Anbaugeräten, die mit mehr als tausend Umdrehungen pro Minute den Boden zermüllern, mag ich nicht.

Wo kämen wir denn hin, ohne grosse Traktoren? Wieder Pferde und Ochsen vor den Karren spannen? Tatsächlich, bei kleinstrukturierten Betrieben ist dieser Trend erkennbar, zumindest bei den Biobetrieben. Aus Interesse an der solidarischen Landwirtschaft, die für mich ebenfalls ein Zukunftsmodell ist, landete ich beim Radieslihof. Weil der Betrieb die Konsumenten einbindet und weil nichts produziert wird, was überflüssig ist. Es gibt nur das, was geerntet wird, und auch krumme Karotten werden verwertet. Was ein ausgebildeter Geologe wie ich dort am liebsten macht: Ernten, mit einem Stecheisen. Kartoffeln, Knoblauch, Zwiebeln, Rüebli, Lauch. Was machen, damit die Radiesli auf dem Radieslihof gut kommen? Auch hier: Den Fokus auf den gesunden Boden richten. Handarbeiten zählen. Viel von Hand jäten, von Hand säen, von Hand ernten. Keine chemisch-synthetischen Hilfsmittel einsetzen.

In der Stadt Zürich, wo viele Hochschulabsolventen leben, findet man meine Lebenseinstellung ‹voll cool›. In den Bündner Bergen, wo ich herkomme und so viele Bauern und Handwerkerinnen leben, fragen sich dagegen viele: Wer macht schon einen Master an der ETH und engagiert sich dann in einem weniger angesehenen Beruf? Überzeugt denke ich jeweils: Ig!

Was mir letzthin auffiel: Von meinen 31 gelebten Jahren verbrachte ich 23 Jahre mehrheitlich in Schulen. Mein nächstes Projekt heisst jetzt Reisen, die Destination ist Griechenland, im Gepäck sind Zelt und Kletterschuhe. Natur, Sonne, Bewegung und eine Portion Landwirtschaft drin – ich könnte mir einen Einsatz bei einer Olivenernte auf Kreta gut vorstellen. Schon immer war ich gern unterwegs. Während und nach dem ETH-Studium bereiste ich unter anderem den Iran – dort machte ich ein dreimonatiges Praktikum in einer Ton-Mine. Ich erinnere mich an einen Mexiko-Aufenthalt, in diesen Monaten lernte ich mehr fürs Leben als in der gesamten Gymer- und Hochschulzeit zusammen. Der Alltag dort läuft komplett anders, es ist kaum etwas strukturiert, die Leute haben von fast allem weniger als wir. Und trotzdem diese Lebensfreude! Ein Glücklichsein mit dem, was Du hast, auch wenn es nur die Sonne ist.

Mein Traum ist, Teil eines kleinstrukturierten Landwirtschaftsbetriebes zu sein. Mit Freunden und Familie. Muss nicht mal in der Schweiz sein. I ghöre use i d Wält. Verteilt auf der Erde, habe ich einen breitgestreuten Kreis an Menschen, die für mich nicht bloss Reisebekanntschaften sind. Gute Freunde sind für mich Familienmitglieder. Meinen Zukunftsort sehe ich an einer schönen Lage, fern von Hauptstrassen. Viel Sonnenschein, grün und wüchsig soll die Umgebung sein, in intakter Natur. Mi Ort muess e guete Bode ha.»

Aufgezeichnet von 
Bernhard Engler

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