Suche
Close this search box.

Vis-à-vis mit Karin Galfetti, Unterrichts-Begeisterte

«Ich empfinde mich als relativ langweilig – für andere Leute. Mein Klassenzimmer am ersten Schultag nach den Sommerferien sah allerdings überhaupt nicht langweilig aus, ich hatte das Zimmer vorher schön eingerichtet. Auf die Wandtafel zeichnete ich ein Piratenschiff, weil wir später mit dem Lehrmittel ‹Die Wortartenpiraten› arbeiteten. Und damit die Kinder sich so richtig willkommen fühlen, hatte ich etwas gebacken. Bei jedem Platz lag auf einer Serviette eine Brownie-Glace, verziert mit Zuckerstreusel und Smarties. Von meinen Dritt- und Viertklässlern erhielt ich so viele schöne Rückmeldungen, dass ich das Gefühl hatte: I darf am meischte Fröid ha.

Ich bin ein zweifelnder Mensch, auch was mich betrifft, und bin gerade deshalb darauf angewiesen, hie und da etwas Nettes zu hören. Eine Lehrer-Kollegin gab mir mal als Rückmeldung, dass sich alle Kinder meiner Klasse etwas zutrauen, ohne dass sie sich untereinander vergleichen. Dies war vielleicht die grösste Bestätigung, dass ich in meinem Beruf auf dem richtigen Pfad bin. Und es stimmt. Ich traue den Kindern viel zu.

Ein spannender Unterricht bedeutet für mich im besten Fall, wenn die Kinder etwas entdecken und erforschen können – und vor allem von sich aus auf Lösungen kommen, die sich anbieten. Zudem versuche ich, meinen Unterricht lebendig zu gestalten. Beim Thema ‹Luft› lasse ich die Klasse ausprobieren, was passiert, wenn man ein Glas über eine Kerze stülpt und dann der Sauerstoff ausgeht. Zu meinen Schülerzeiten wurde dies einem von der Lehrperson bloss theoretisch erklärt.

Aus meiner Sicht gibt es in der Schule zu wenig Raum für Gestalten, Kunst, Musik, Theater, auch Sport. Fächer, wo sich die Kinder ausdrücken können. Und ich bin nicht gegen Noten, aber für solch kreative Fächer sollte man auf Bewertungen verzichten. Soll man zu Zeichnungen immer einen Kommentar abgeben? Noch heute hänge ich die Zeichnungen meiner Kinder an die Wandtafel. Wenn sie sich schon Mühe gaben, muss ich mir das auch, finde ich. Dies ist übrigens eine Tradition, die ich von meiner alten Lehrerin übernommen habe, dem Fräulein Müller – dauerledig, kurz vor der Pensionierung und eigentlich nicht mit mir kompatibel, weil ich als vorwitziges Kind galt. Selber Lehrerin, bin ich mittlerweile froh, wenn ich Klassen von älteren Lehrerinnen und Lehrern übernehme.

Es war eine beglückende Zeit, als ich meinen Hund in den Unterricht mitnehmen durfte – und beide sind in den Startlöchern für den nächsten gemeinsamen Einsatz. Toni, ein Mischling zwischen Appenzeller und Berner Sennenhund, ist mein bester Heilpädagoge, Sozialarbeiter und Psychologe. Als Psychologe: Wenn er nicht unter meinem Pult liegt, geht er zu jenem Kind, dem es nicht gut geht. Er spürt das, er bringt ihm Trost und dass er beim Kind etwas auslöst, merke ich sofort. Als Sozialarbeiter: Eine Klasse hatte untereinander dermassen eine Knatschphase, dass ich den Schülern mitteilte, dass ich den Hund dieser Energie unmöglich aussetzen kann. Ich musste den Hund schützen, es war nicht als Erpressung gemeint, und die Stimmung mässigte sich rasch. Als Heilpädagoge: Als ein Mädchen bis in die vierte Klasse weder lesen konnte noch wollte, deklarierte ich meinen Schulhund zum Lesehund. Worauf es mit Lesen begann und dem Hund Buch um Buch vorlas.

Meine Schüler leisten viel. Ich hatte mal eine Klasse mit fast ausnahmslos ausländischen Kindern, die ein Theaterstück einstudieren mussten. Eine der Vorgaben: Ihr Deutsch müsse ein Bühnendeutsch sein. Und es klappte. Die Mutter eines Mädchens sagte mir nach der Aufführung, sie hätte nie im Leben gedacht, dass ihre Tochter das kann. Ich wusste schon vorher: Die Schüler können das.

Überhaupt: Die Kinder von heute können sich durchaus in eine Aufgabe vertiefen, ich habe es gestern zweimal erlebt. Ich war beeindruckt, wie sie sich beim Thema ‹Luft› untereinander immer schwierigere Fragen stellten. Wir machten Experimente, sie gestalteten Plakate, beim Einsatz eines Stethoskops produzierten sie Atemgeräusche. Kinder von heute sind immer noch Kinder und können sich problemlos eine längere Zeit auf etwas konzentrieren, sofern sie selber etwas tun müssen.

Ich brauche Abwechslung, ich bringe Stimmung in den Unterricht, man sieht mich oft gestikulieren. Ich mache es mir selber auch nicht leicht, es würde mich langweilen, im Deutschunterricht dreimal dieselben Arbeitsblätter zu verwenden oder als Lektüre zum zehnten Mal ‹Jim Knopf› vorzulesen. Ob Lehrerin immer noch mein Traumberuf ist? Ja. Wenn deine Kinder glücklich sind und du zum Schulhaus hinausläufst: Bisch nume no beglückt.»

Aufgezeichnet von 
Bernhard Engler

Beitrag teilen:

Aktuelle Beiträge

Intransparenz, Orientierungslosigkeit und nicht eingehaltene Versprechen: Die Vorwürfe, die die FDP Worb in einer Pressemitteilung gegen den Verwaltungsrat der Sportzentrum Worb AG, der Betreiberin des Wislepark, und gegen den Gemeindepräsidenten Niklaus Gfeller erhebt, sind harsch. Für Gregory Graf, Präsident der FDP Worb, steht fest, jetzt müssen gangbare und innovative Lösungen für die Zukunft des Wisleparks gefunden werden.

Der Schulweg soll so sicher wie möglich sein, aus diesem Grund bringen immer mehr Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule, was zuweilen zu einem regelrechten Verkehrschaos vor den Schulhäusern führt. Mit der Aktion «Ab hier kann ich’s allein» sollen Eltern dazu bewegt werden, ihre Kinder zu Fuss zur Schule zu schicken.

Am 2. September 2024 beginnen die Bauarbeiten zum Projekt «Rossweidli» auf der früheren Pferde-Weide der Egger-Brauerei. Am Zelgweg entstehen 13 Mietwohnungen in 2 energieautarken Holzhäusern. Der Bezug ist für Frühling 2026 geplant.