Biodiversitätsförderung und Landwirtschaft schliessen sich für Martin Bernhard nicht aus. Bild S. Mathys

Biodiversitätsförderung: Die Sicht der Bauern

Es gibt wohl kaum ein Wirtschaftszweig, der so sehr von der Artenvielfalt und funktionierenden Ökosystemen abhängig ist, wie die Landwirtschaft. Doch geht es um den Rückgang eben dieser Vielfalt, stehen bäuerliche Betriebe oft als Hauptverursacher da. Daher ist es nicht überraschend, dass viele Biodiversitätsfördermassnahmen auf die Landwirtschaft zielen. Was das konkret für die Bauern bedeutet, erläutert Martin Bernhard.

Der Blick auf die Landwirtschaft ist ambivalent. Zum einen ist da die romantisch verklärte Sicht auf Bäuerinnen und Bauern, die im Einklang mit der Natur gesunde Lebensmittel produzieren und zu unseren Landschaften Sorge tragen. Zum anderen stehen sie in der Kritik, wenn es um die Auswirkungen intensiver Landwirtschaft auf die Umwelt geht. Dabei darf nicht vergessen gehen, dass auch Kulturlandschaften wichtige Lebensräume für viele verschiedene Arten sind. Doch oft mangelt es in unseren aufgeräumten Landschaften an Lebensraumvielfalt wie Hecken, Stein- oder Holzhaufen und Blumenwiesen. Strukturen, auf die unter anderen Insekten angewiesen sind, und fehlen bestäubende Insekten, hat wiederum die Landwirtschaft ein Problem, da 75% der Nutzpflanzen durch Insekten bestäubt werden. Gleichzeitig stehen die Landwirtschaftlichen Betriebe  in der Schweiz unter grossem Druck, denn es sollen möglichst viele Lebensmittel möglichst effizient produziert werden. Man könnte von einem Teufelskreis sprechen.

Um die Artenvielfalt in der Landwirtschaft zu erhalten und zu fördern, haben die Bundesämter für Umwelt (BAFU) und Landwirtschaft (BLW) 2008 Umweltziele für die Landwirtschaft formuliert. Seit 2015 erhebt Agroscope im Auftrag dieser Bundesämter regelmässig den Zustand der Lebensräume und der Arten in der Agrarlandschaft. Das Fazit, das man dem Bericht von 2021 entnehmen kann: Der allgemeine Zustand ist unbefriedigend. Insgesamt sei aber eine positive Wirkung der Biodiversitätsförderflächen sichtbar, hauptsächlich in den Bergregionen.

Auf Betrieben, die Direktzahlungen beziehen, müssen mindestens 7% ihres Landes als Biodiversitätsförderflächen bewirtschaftet werden. Dabei können die Landwirtinnen aus verschiedenen Flächentypen auswählen, wie beispielsweise artenreiche Wiese, Hecken, Hochstamm- und Feldobstbäume sowie Buntbrachen. Dies ist in 2 Qualitätsstufen aufgeteilt. So beinhaltet die Qualitätsstufe 1 Bewirtschaftungsauflagen wie den Schnittzeitpunkt von Graswiesen oder die Pflege von Obstbäumen, während auf Stufe 2 regelmässig bestimmte Pflanzenarten oder Kleinstrukturen wie Holz- und Steinhaufen vorhanden sein müssen. 2023 wurden in der Schweiz 450 Millionen Franken an Biodiversitätsbeiträgen gezahlt, was insgesamt 16% der gesamten Direktzahlungen entspricht.

Blick in die Praxis
Schaut man sich den Arbeitsalltag auf einem Bauernhof mit all den Anforderungen und Vorschriften, die es zu erfüllen gibt, genauer an, kann man sich schon fragen, ob sich Artenschutz und Landwirtschaft überhaupt vereinen lässt. «Auf jeden Fall, ganz klar», sagt Martin Bernhard von Hubel Beef. «Ich sehe mich auch in der Pflicht, meinen Teil zum Artenschutz beizutragen.» Mit seiner Familie und in der Regel 2 Lernenden bewirtschaftet er rund 22 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche. Mit rund 30 Mutterkühen und 539 Legehennen, die in einem mobilen Hühnerstall von einem Weideplatz zum nächsten ziehen, sind die Produktion von Fleisch und Eiern  die Hauptzweige. 2018 hat er auf Bio umgestellt und seit 2020 ist der Hof ein zertifizierter Biobetrieb. Der grösste Teil der Flächen werden als Wiesen für die Futterproduktion genutzt. Daneben werden auch Ackerkulturen wie Brot- und Futtergetreide sowie Bohnen und Linsen angebaut. Der Anteil der Biodiversitätsförderflächen auf Bernhards Betrieb beträgt 15%. Für ihn heisst das, dass extensiv genutzte Wiesen nur zweimal im Jahr gemäht werden und dabei Rückzugstreifen und Ecken stehen bleiben, so bleiben Rückzugsorte für Insekten und Bodenbrüter erhalten. Zudem achtet er darauf, dass diese Wiesen an intensiv genutzte Wiesen – sogenannte Kunstwiesen – und Äcker grenzen. «So kann ich es für mich verantworten», sagt Martin Bernhard. Doch haben diese Förderflächen auch einen positiven Effekt auf die Produktion in der Landwirtschaft? Da ist er sich sicher: «Ja, ich sehe einen tatsächlichen Effekt. Man sieht es in den Blumenwiesen und Hecken oder den Strukturelementen wie Holzhaufen, da kommt Leben auf. Schliesslich wollen wir ja auch Nützlinge fördern.» Doch schaut man auf das Grossräumige, stellt sich die Frage, ob einzelne Förderflächen den Artenrückgang längerfristig bremsen können und stehen wirklich nur die Bauernbetriebe in der Pflicht? Schliesslich wird gesamtschweizerisch gerade mal ein Drittel der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Hier plädiert Martin Bernhard für einen Mittelweg: «Ich sehe nicht ein, dass nur die Landwirtschaft die Verantwortung tragen soll, der Artenrückgang ist auch ein gesellschaftliches Problem. Ich bin für eine produzierende Landwirtschaft. Es geht auch um den Selbstversorgungsgrad, natürlich können wir die Viehbestände reduzieren und mehr Blumenwiesen anlegen, aber dann müssen auch mehr Lebensmittel importiert werden. Wir brauchen einen gesunden Mittelweg, ressourcenschonend und nachhaltig.» Schlussendlich geht es auch um das Einkommen der Bauern, eine Erweiterung der Förderflächen führt zwangsläufig auch zu weniger Ertrag auf den Betrieben, womit sich wieder die Frage stellt, wie das finanziell aufgefangen werden soll.

Solche Asthaufen bieten Lebensraum. Bild: S. Mathys

Der Administrator
Es dürfte den wenigsten bewusst sein, wie stark reglementiert die Landwirtschaft ist. Ackerkulturen, Viehbestände, der Einsatz von Agrochemie, Biodiversitätsförderflächen, alles muss dokumentiert sein. Zudem werden die Betriebe regelmässig kontrolliert, wo bis zu 200 Kontrollpunkte abgearbeitet werden. Martin Bernhard führt aus: «Ich werde jährlich kontrolliert, da wird die Tierhaltung angesehen, Bäume und Wiesen gezählt. Meldet man bei den Erhebungen neue Elemente an, löst das eine Kontrolle aus. Die Direktzahlungen werden nicht ins Blaue gezahlt.» Für Landwirte bedeutet das ein grosser administrativer Aufwand, der mittlerweile digital erledigt werden kann. Neben den Förderflächen sind auch Ackerkulturen und Viehbestände meldepflichtig, diese Erhebungen werden jeweils im Frühling und Herbst durchgeführt. Hier kommt wieder Martin Bernhard ins Spiel, in Worb ist er Erhebungsstellenleiter, das heisst er ist das Bindeglied zwischen den Landwirtinnen und der Abteilung Direktzahlungen des Kantons. «Ich unterstütze die Bauern bei den Erhebungen und gebe ihre Daten digital ein. Davor muss ich die Betriebe aber anschauen und ich bin verpflichtet Unstimmigkeiten zu melden.» Er wird aber auch vom Kanton bei Kontrollen aufgeboten oder als Vermittler, wenn Verstösse gemeldet werden. Dies komme in Worb aber sehr selten vor. Zudem ist er auch für die Kontrollen von Hobby-Nutztierhaltern zuständig. Auch privat gehaltene Schafe oder Hühner sind wegen dem Tierseuchenschutz meldepflichtig.

Viele Pflichten und Auflagen, doch es gibt auch Unterstützungsangebote. So können in Worb Biodiversitätsberatungen in der Gemeindeverwaltung in Anspruch genommen werden. «Unsere Gemeinde engagiert sich sehr», führt Martin Bernhard aus. «Es gibt jährlich Merkblätter mit Tipps für Insektenfördermassnahmen und auch finanzielle Unterstützung, die für Fördermassnahmen eingesetzt werden.» Zu diesen Fördermassnahmen gehört beispielsweise das Patenbaumprojekt, um den Bestand an Hochstammobstbäumen zu sichern. AW 

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