Die Kommissionsarbeit bildet das Rückgrat politischer Prozesse. Unterlagen werden auf Herz und Nieren geprüft, Geschäfte vorbereitet und mögliche Lösungsansätze gesucht. Im Normalfall findet diese Arbeit hinter verschlossenen Türen statt. Doch die Spezialkommission, die derzeit nach gangbaren Verkehrslösungen für die Bahnhofstrasse sucht, macht für einmal eine Ausnahme. Ein Werkstattbericht.
Die gute Nachricht vorneweg: Die in den letzten Jahren umgesetzte Verkehrssanierung in Worb hat in weiten Teilen die gewünschte Wirkung erzielt. Wie Verkehrsmonitorings, die vor und nach dem Bau der Umfahrungen erhoben wurden, zeigen, hat die Verkehrsbelastung in Teilen stark abgenommen. Die Bahnhofstrasse bleibt aber ein Sorgenkind. Zwar hat die Verkehrsbelastung von täglich 15 400 Durchfahrten, die 2010 noch gemessen wurden, auf rund 5800 Fahrzeuge pro Tag stark abgenommen, von den angestrebten 4040 Durchfahrten pro Tag ist das aber noch weit entfernt. Auch die Bevölkerungsumfrage, die 2023 durchgeführt wurde (WoPo 11/23), zeigt was das Sicherheitsempfinden der Verkehrsteilnehmenden, insbesondere jenes von Fussgängern und Velofahrerinnen betrifft, besteht in der Bahnhofstrasse noch Handlungsbedarf. Die Ziele sind klar: der motorisierte Individualverkehr soll weiter reduziert und gleichzeitig die Aufenthaltsqualität verbessert werden, ohne dass dabei die Zugänglichkeit für die an der Bahnhofstrasse ansässigen Gewerbebetriebe tangiert wird. Nur das Wie ist die Frage.
Es braucht Zeit
Dem Wie widmen sich die 12 Mitglieder, die sich am Abend des 2. Juli 2024 in der Gemeindeverwaltung zur zweiten Sitzung der Spezialkommission eingefunden haben; vertreten sind die Anliegen von 10 Anspruchsgruppen. Während die Vertreterinnen des Gewerbes den Fokus auf die Zugänglichkeit der Bahnhofstrasse und den Erhalt und Ausbau von Parkplätzen legen, steht von Seiten der Schule, Jugendarbeit, Eltern, Anwohnenden, der Volksmotionäre «Zebrastreifen» und den Vertretenden für die Anliegen von Seniorinnen und Sehbehinderten die Sicherheit im Vordergrund. Dem gegenüber stehen die Anliegen des öffentlichen Verkehrs, denn durch die bereits getroffenen Massnahmen sei die Einhaltung des Fahrplans schon jetzt schwierig. Mehr Sicherheit, auch für den Langsamverkehr, eine ansprechende Gestaltung, insbesondere des Hirschenplatzes, und ein attraktiver Standort für Ladengeschäfte. Diese Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen ist nicht einfach. Aus diesem Grund arbeite die Spezialkommission mögliche Lösungsansätze in einem Mediationsverfahren aus, wie der zuständige Gemeinderat und Präsident der Spezialkommission, Urs Gerber, ausführt. «Bei hochstrittigen Vorhaben, in denen es keine einfachen Lösungen gibt, sind Mediationen ein probates Mittel um zu akzeptierten Lösungen zu kommen.» Dabei verweist er auf das umstrittene Fahrverbot in der Stationsstrasse (WoPo 07/21), bei dem ebenfalls ein Mitwirkungsverfahren angewandt wurde.
Nach einer kurzen Aufwärmrunde übernimmt Amena Schwabe, Fachfrau für Raumplanung und Partizipation bei BSB + Partner, die Moderation mit einem Rückblick auf die erste Sitzung. Doris Däpp, Bau- und Verkehrsingenieurin, ebenfalls bei BSB + Partner, steuert die fachlichen Inputs bei und stellt diverse mögliche Massnahmen vor. Die Bahnhofstrasse ist nicht das erste Projekt, das sie in Worb betreut, daher kennt sie die hiesigen Verkehrsverhältnisse inzwischen sehr gut.
Weiter geht es mit Gruppenarbeiten. Jeder Gruppe wird ein Abschnitt der Bahnhofstrasse zugeteilt, dazu ein Fundus an möglichen Massnahmen in Form von Aufklebern. Wo wäre ein Zebrastreifen sinnvoll, wo Parkplätze möglich? Ist der Einsatz der Poller gerechtfertigt und braucht es Einbahnstrassen, um Ausweichverkehr durch die Wohnquartiere zu verhindern? Wie könnte der Strassenraum gestalterisch aufgewertet werden? Müssten einzelne Strassenbereiche farblich abgesetzt werden, um die Aufmerksamkeit der Fahrzeuglenkenden zu erhöhen, und könnte auf dem Hirschenplatz gar eine Begegnungszone entstehen? Die Kommissionsmitglieder sind konzentriert bei der Arbeit, disputieren, entwerfen und verwerfen. Der Abend endet mit einer letzten Gesprächsrunde, in der die Lösungsvorschläge aus den Gruppenarbeiten nochmals diskutiert werden. Als Beobachterin des Prozesses kommt nicht das Gefühl auf, dass jemand die Faust im Sack macht, alle werden angehört. Trotzdem stellt sich die Frage, ob diese Herangehensweise den Planungsprozess unnötig in die Länge zieht und es nicht einfacher wäre, die Bahnhofstrasse einem Verkehrsplanungsteam zu überlassen? Urs Gerber räumt ein, dass der Prozess durch Mitwirkungsverfahren tatsächlich viel länger dauern würde, die Resultate, die dadurch erzielt werden, seien jedoch konsensfähiger. Die Bevölkerung würde nicht nur informiert, sondern könne mitbestimmen. «Meine Erfahrung zeigt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger ernstgenommen fühlen und die Gespräche auf Augenhöhe schätzen.» Die Befürchtung, dass Planungsprozesse durch Mediationsverfahren unübersichtlich würden, bestätige sich in der Regel nicht. Welche Lösungsansätze bei der Bahnhofstrasse zum Zug kommen werden, steht noch in den Sternen, angestrebt wird die bestmögliche. AW