Es ist 8 Uhr morgens. Ich sitze mit meinen heutigen Arbeitskolleg/innen am Tisch in den Lokalitäten «Gleis2» (in der alten Mosterei in Worb); wir alle warten auf unseren Arbeitseinsatz. Die anwesenden Frauen und Männer sind arbeitslose Menschen, Asylbewerber und Flüchtlinge. Mit den Arbeiten im Gleis2 werden die teilweise leistungseingeschränkten Menschen u.a. in ein berufliches und soziales Leben integriert. Ein überaus spannendes Projekt.
Es herrscht eine gute morgendliche Stimmung, die Herren Schüpbach Senior und Junior geben an Hand von Fotos, Beschreibungen und Erklärungen das heutige Tätigkeitsprogramm bekannt – wer kommt wo zum Einsatz? Vor Arbeitsbeginn wird kurz das aktuelle Thema Euro20 angeschnitten, es entwickelt sich eine lebhafte Diskussion mit verschiedenen Meinungen und Äusserungen unter den verschiedenen anwesenden Nationalitäten.
Wir nehmen die gemäss Programm zugeteilten Tätigkeiten in Angriff. Die Arbeitsplätze: Werkstoffrecycling, Holzabteilung, Altkabel-Recycling etc. werden lebendig. Es herrscht emsiges Treiben. Im Bereich «Kabel-Recycling» werden zum Beispiel pro Monat rund zwei Tonnen Kupfer gewonnen. Nebst diesen Arbeiten in der alten Mosterei beschäftigt sich Gleis2 auch mit vielseitigen externen Arbeiten wie Räumung von Wohnungen, Lagern, Installationen von Industrie und Gewerbe. Im Weiteren führen spezielle Holzkonstruktionen zu einer engen Zusammenarbeit mit der Industrie u.a. in Worb mit OLWO, FISSCO etc.
Eines meiner heutigen Tätigkeitsgebiete findet im Bereich «Monitor-Bildschirm-Recycling» statt. Viel Arbeit steht mir bevor. Hunderte von Bildschirmen, Tablets, Notebooks warten auf mich. Bekannte Marken: ACER, Apple, HP, Lenovo …
Es scheint eine einfache Arbeit zu sein, aber dem ist nicht so. Es gilt vorerst eine grosse Anzahl von Schrauben zu lösen, anschliessend folgt der Ausbau des Gehäuses und der Glasscheiben. Nun geht’s den Innereien an den Kragen, Geräte, Stecker, Kabel, Leiterplatten, Prozessoren etc. werden ausgebaut und in Einzelteile zerlegt. Meine «feinen» Hände sind es sich nicht gewöhnt, knifflige und komplexe Arbeiten auszuführen. Hin und wieder machen sich kleinere Blutflecken an den Händen bemerkbar.
Gedanken gehen mir durch den Kopf – es ist einfacher am Bildschirm zu arbeiten als im Innern eines Bildschirms herumzustochern! Zudem sind Bildschirme unterschiedlich zusammengebaut, dies verkompliziert die Demontage. Das ausgebaute Material wird nicht weggeschmissen, die Einzelteile werden auf das Fein-Recycling-Programm vorbereitet.
Die Arbeiten im Gleis2 haben positive Aspekte, einerseits ist das Recycling für Worb sowie für die Umwelt von grosser Bedeutung und Wichtigkeit, andererseits ist es für die Beschäftigten wichtig, mit einer sinnvollen Arbeit Lebensfreude zu gewinnen und einer Tagesstruktur zu folgen. Die Diskussionen mit den Leuten widerspiegeln, dass das Arbeiten geschätzt wird.
Ich spreche den Arbeitern und den Organisatoren im Gleis2 für ihr Engagement meinen Dank aus. Für mich waren die Stunden im Gleis2 interessant und lehrreich, nicht nur wegen der Beschäftigung, sondern auch wegen der Zusammenarbeit mit den Leuten; sie war eine Bereicherung und brachte mir wertvolle Erfahrungen.
HANS BECK