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Zwei Schüler der Gesamtschule Enggistein an ihrem Verkaufsstand. Bild: zvg

Flüchtende in Worb: Die Schule als Insel des Friedens

Nach Afghanistan und Syrien hat der Krieg in der Ukraine eine weitere Flüchtlingswelle ausgelöst. Die Asylunterkunft in der FISSCO ist nahezu belegt. Auch wenn die Hilfsangebote über den Kanton Bern dirigiert werden, stehen vor allem die Schulen in Worb vor grossen Herausforderungen. 

Die Schreckensnachrichten vom Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, reissen nicht ab. An Bilder von Zerstörung und Menschen auf der Flucht ist man sich durch die täglichen Nachrichten gewohnt. Neu ist, dass dies nun in Europa geschieht.

Bei der Gemeinde sind in den vergangenen Wochen viele Anfragen und Hilfsangebote eingegangen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten Hilfe zu leisten, sei es durch die private Unterbringung von Flüchtlingen, Übersetzungsdiensten oder andere Angebote. Die Gemeindeverwaltung ruft dazu auf, Hilfsangebote direkt auf der Website der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) im Kontaktformular einzugeben. Die nötigen Kontaktdaten sind auf der Website der Gemeinde Worb aufgelistet.

Derzeit sind die 65 Plätze im Asylzentrum FISSCO in Enggistein mit ukrainischen Flüchtlingen belegt, darunter sind vor allem Mütter mit ihren Kindern. Jedoch gibt es Schwankungen in der Belegung, z.B. wenn jemand in eine Wohnung ziehen kann, diese Plätze werden aber jeweils nachbesetzt. Ziel des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK), Betreiberin der Unterkunft, ist es die Auslastung möglichst voll zu nutzen. Unterstützung für Alltagsfragen vor Ort und materielle Versorgung sind gewährleistet. Im Moment hat das SRK aber noch keinen Bildungs- oder Integrationsauftrag vom Kanton. Sollten aber Möglichkeiten seitens Gemeinden oder Kirche bestehen, wird das SRK auf die Angebote aufmerksam machen. Weitere sechs Personen sind in Worb privat untergebracht, darunter sind ebenfalls Kinder. 

Für Geflüchtete aus der Ukraine gilt der Schutzstatus S. Personen mit diesem Schutzstatus können in der Schweiz entweder als Angestellte oder als Selbstständigerwerbende arbeiten. Die Arbeitsvermittlung fällt in den Zuständigkeitsbereich des SRK. Der Kontakt mit Niklaus Sägesser, dem Präsidenten des Worber Gewerbevereins, wurde bereits aufgenommen. «Vom Gewerbe her schauen wir direkt, sobald Anfragen vom SRK an uns gestellt werden», sagt er.

Herausforderung für die Schulen
Die Einschulung der ukrainischen Kinder ist organisiert. Seit Ende der Frühlingsferien besuchen sie die Willkommensklasse in Enggistein. Die Zahl der Kinder ist schwankend und bewegt sich zwischen 16 bis 18 Kindern, da es in der «Filzi» laufend Wechsel gibt, wenn Geflüchtete Wohnungen in anderen Gemeinden finden. Auch die Altersspannweite zwischen vier bis zwölf Jahren ist gross. «Die Voraussetzungen in Worb sind optimal», so Schulleiterin Tae Woodtli. Die Schule Enggistein verfügt über grosse Erfahrungen mit sogenannten DAZ-Klassen (Deutsch als Zweitsprache), die Lehrmittel sind vorhanden. Trotzdem ist die Situation für Schulleitung und Lehrpersonen sehr herausfordernd. Es ist fraglich, ob alle Flüchtlingskinder nach den Sommerferien in reguläre Klassen integriert werden können. Da im Primarstufenkreis Worb auf Ende Schuljahr 2021/22 eine Klasse wegen zu geringer Schülerzahl geschlossen werden muss, steigt so der Druck auf die bestehenden Klassen. «Wir sind uns ein hohes Mass an Flexibilität gewohnt. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass die Schulen schon jetzt an ihrer Belastungsgrenze angekommen sind», führt Tae Woodtli weiter aus. Ebenfalls noch unklar ist die Finanzierung der Willkommensklasse.

In der Willkommensklasse werden die Kinder von einer Lehrerin aus der Ukraine unterrichtet, die mit ihren beiden Kindern vorübergehend in der Asylunterkunft FISSCO untergebracht war und jetzt in einer anderen Gemeinde eine Wohnung gefunden hat. Sie ist sehr engagiert, auch wenn das für sie fremde Schulsystem und das Unterrichten einer Mehrjahrgangsklasse Neuland sind. Unterstützt wird sie von dem pensionierten Lehrer Urban Saier. Der schreckliche Krieg und die damit verbundenen Flüchtlingswellen habe ihn sehr beschäftigt. «Ich habe mich gefragt, was mein Beitrag sein könnte, ausser Geld zu spenden.» Aus diesem Grund hat er sich an Gemeinderat Christoph Moser (SP) gewandt. Dass er nun als Pensionierter selbst wieder vor einer Klasse stehen würde, habe er sich weder vorgestellt noch gesucht. Die Verständigung mit seiner ukrainischen Kollegin laufe mit Französisch und Englisch sehr gut, die Arbeitsweise müsse allerdings noch gefunden werden. «Wir versuchen den Kindern ein bisschen Normalität zu geben», so Urban Saier. Dass sich die Flüchtlingskinder in der Schule so wohl wie möglich fühlen und eine Art Insel des Friedens finden, ist für Gemeinderat Christoph Moser ein grosses Anliegen.

Die Herausforderungen für die Schulen Worb werden nicht abreissen, denn zusätzlich zu den Flüchtlingen in der «Filzi» wurden im Gutshof Enggi­stein Familien mit Kindern aus dem Rückkehrzentrum Biel-Bözingen, die einen negativen Asylentscheid erhalten haben, untergebracht. Diese Kinder werden – ebenfalls seit Ende der Frühlingsferien – in Regelklassen in Enggistein und Worb unterrichtet, was den Druck auf die Worber Schulen zusätzlich erhöht.

Kreative Spendenaktion
Neben Hilfsangeboten, die über den Kanton laufen, und Spenden von diversen Organisationen haben auch Schulen und Private Sach- und Geldsammelaktionen gestartet. Das Projekt der Gesamtschule Enggistein tut sich da besonders hervor. Die sechzehn Kinder von der 1. bis 5. Klasse beschlossen, selbst zu handeln. Mit viel Motivation und Herzblut führten die Schulkinder ihr eigenes Projekt durch und organisierten innerhalb von knapp drei Wochen einen Markt, der am 5. April stattgefunden hat. Mit Flohmarkt und Ständen mit allerhand Selbstgebasteltem und einem Kaffeestand mit Backwaren stiessen die Schülerinnen und Schüler auf reges Interesse, was sich auch im Erlös von über 2000 Franken zeigte. «Es war eine Freude, all die Leute zu sehen, wie sie einkauften und diese gute Sache unterstützten», sagt Anna Barbara Liebe, Lehrerin in der Gesamtschule Enggistein. Von dem Geld sollen 1500 Franken an die Glückskette gehen. Mit dem restlichen Betrag wollen die Kinder die Geflüchteten in den Asylunterkünften FISSCO und Gutshof direkt unterstützen. Welche Form der Unterstützung sinnvoll ist, werden die Schülerinnen und Schüler nach den Frühlingsferien gemeinsam diskutieren. Vorerst freuen sie sich auf die Ankunft der Kinder aus der «Filzi» in der Willkommensklasse in ihrem Schulhaus. AW

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