Sich selbst beschreibt Stephan Zingg (SVP) nicht als typischen Politiker, der nach dem Parteibüchlein geht. Viel lieber setzt er auf das Aushandeln von Kompromissen, die für möglichst alle gangbar sind. Nun präsidiert der meinungsstarke Worber für ein Jahr das Parlament.
Der für dieses Jahr amtierende höchste Worber wohnt mit seiner Partnerin am Rande von Worb, hoch über dem Dorfkern, in einem Einfamilienhaus. Direkter Blick auf die Alpen, gepflegter Garten, der Grill im Gartenschuppen einsatzbereit. «Bei mir ist 12 Monate im Jahr Grillsaison», sagt Stephan Zingg.
Sein Auftreten ist forsch und er nimmt kein Blatt vor den Mund; einer, der zupacken kann, ist der erste Eindruck. «Worb, das ist mein Zuhause. Mir gefallen die Gewerbevielfalt hier und die Vereine. Es ist cool, was wir an Vereinen haben, wo man sich betätigen kann.» Dem Vater von 2 Kindern ist das Vereinsleben sehr wichtig und das Engagement im Vorstand eine Möglichkeit im Kleinen zu erproben, was andernorts sinnvoll sein könnte. «Man lernt mit Menschen umzugehen, man sieht, was funktioniert, und muss Lösungen finden, die für alle stimmen. Für mich ist diese Tätigkeit ein gutes Sprungbrett für eine Kommission, das Parlament oder den Gemeinderat.»
Der Verwalter
Die KV-Lehre hat er bei der Stadtverwaltung Langenthal gemacht, es folgten Weiterbildungen zum diplomierten Gemeindeschreiber und Finanzverwalter. Seine erste Stelle als Gemeindeschreiber trat Zingg 1992 in Schlosswil an. Da war er gerade 22 Jahre alt. «Ich war ein junger Schnösel und nicht der Wunschkandidat des Gemeinderates. Man fand, ich hätte zu wenig Erfahrung.» Das hat er mit Pfiffigkeit wettgemacht. Aus der Bevölkerung sei eine gewisse Unzufriedenheit herauszuhören gewesen, was den vom Gemeinderat bevorzugten Kandidaten betraf. Also ging er von Tür zu Tür und sammelte Unterschriften für seine eigene Kandidatur. Prompt gewann er die Urnenabstimmung. Die Zusammenarbeit in Schlosswil sei, trotz des holprigen Starts, sehr gut gewesen und er konnte spannende Projekte mittragen. Mittlerweile ist Stephan Zingg seit über 30 Jahren im Bereich Gemeindeverwaltung tätig, wo er angefangen beim Gemeindeschreiber über Finanzverwalter bis hin zum Standesbeamten schon die verschiedensten Positionen durchlaufen hat. Seit 2023 ist er Gemeindeverwalter von Linden.
Das hat ihm einen grossen Erfahrungsschatz und einen Sinn für das Gesamtbild eingebracht. «Mein Erfahrungsrucksack dient auch in der Fraktion im Gemeindeparlament immer wieder. Ich werde oft gefragt, wie es um eine Sache steht, welche Möglichkeiten es gibt, damit ein Anliegen durchkommt, oder wie man die richtigen Argumente findet.»
Der Vermittler
Sein Engagement in der SVP fusst auf seiner Zeit als Gemeindeschreiber in Schlosswil. Damals habe es dort neben der SVP nur eine weitere Ortspartei gegeben, die Demokratische Vereinigung Schlosswil, eine politische Heimat für jene, die sich nicht mit der SVP identifizieren konnten. Politisch habe sich Stephan Zingg jedoch zurückgehalten. «Ich war ja dort angestellt und ich wollte nicht, dass ich plötzlich einen Stempel habe. Als Gemeindeschreiber bist du allen verpflichtet, da hat das Parteibüchlein nicht im Vordergrund zu stehen.» Offiziell in die Politik eingestiegen ist er 2013, als er in Worb in die Finanzkommission gewählt wurde, wo er 12 Jahre tätig war. Wobei Zingg auch hier präzisiert: «Eine Kommission ist in dem Sinne nicht politisch, es ist ein Fachgremium.» Eine Zeit die immer noch Begeisterung in ihm weckt. «Wir waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen und man hat oft erlebt, dass die Leute plötzlich die Zusammenhänge gesehen und gewisse gegenteilige Positionen besser verstanden haben. Das trägt dazu bei, dass man plötzlich ganz anders miteinander redet und aufeinander zu geht. Das ist extrem cool. Gerade in der FiKo sieht man, was möglich ist und was nicht. Man muss nur die Zahlen zusammentragen, sich ansehen, wie viel schon investiert wurde. So bekommt man eine Richtgrösse und sieht, was mit den vorhandenen Ressourcen möglich ist.» So kann er auch auf einige Erfolge zurückblicken, wie etwa die Schuldenbremse für Worb und Richtlinien bei den Investitionen, die zwar alle nicht sakrosankt sind, aber heute immer noch berücksichtigt werden. Seit 2017 ist Stephan Zingg für die SVP im Parlament. Auch hier steht bei ihm das Parteibuch nicht immer im Vordergrund. Schlussendlich zählen für ihn die Fakten und dass man gemeinsam gangbare Lösungen findet. «Fachlich, sachlich. Da staunen plötzlich alle über die Parteigrenzen hinaus, wenn du Fakten vorlegen kannst.» Dabei mag er es nicht, wenn die Leute mit Zahlen bombardiert werden, die weder Hand noch Fuss haben. Viel lieber spricht er die Menschen auf der mentalen oder emotionalen Ebene an. Und ja, manchmal gehen die Emotionen auch mit ihm durch, gerade wenn es um Themen geht, die ihm wichtig sind, wie die Finanzen, das Gewerbe oder der Rückgang der Gastrobetriebe in Worb. Alles Punkte, zu denen Sorge getragen werden muss. «Was den Service public betrifft, haben wir hier in Worb einen guten Standard. Aber man muss ein gesundes Augenmass darüber behalten, was nötig und was gefragt ist. Da müssen wir uns fragen, was wollen wir uns alles leisten, muss jeder mit dem Bus vor der Haustür abgeholt werden?» So sei es aus seiner Sicht auch möglich, die Steueranlage in Worb zu senken, eine Sichtweise, mit der er angesichts der aktuellen finanziellen Situation von Worb nicht viel Zustimmung bekommen dürfte. «Meiner Meinung nach würde Worb das verkraften. Halt mit dem Hintergrund, dass man gewisse Parameter nicht aus den Augen lässt.»
Der Parlamentspräsident
Auf sein Amtsjahr als Parlamentspräsident freut Stephan Zingg sich, auch wenn er da wieder relativiert: «Was heisst das, höchster Worber: Man ist Sitzungsleiter. Aber es ist eine Ehre und eine Freude, dass man das machen darf.» Wichtig ist ihm, dass man sich an den Sitzungen zuhört und die verschiedenen Meinungen und Ansichten respektiert. Er will ein Miteinander, kein Gegeneinander. Dass das in einem Parlament, wo die Meinungen auch mal auseinandergehen, nicht immer gleich gut gelingt, liegt für ihn in der Natur der Sache. Was auf sein Amtsjahr als Parlamentspräsident folgt und ob er noch lange in der Politik bleibt, lässt Stephan Zingg noch offen. «Wie sagt man so schön, man sollte nicht zu lange auf dem Sessel kleben bleiben. Auf der anderen Seite haben wir junge, neue Leute, die sich einbringen wollen. Was auch kommt, es geht immer weiter.» AW
Die Präsidien
Das Worber Gemeindeparlament gibt es seit 1973. Das Präsidium des 40 Mitglieder zählenden Grossen Gemeinderates wird im Jahresturnus ausgeübt.
1973 Ulrich Zaugg SVP
1974 Rolf Bühlmann FDP
1975 Hermann Kirchhofer SP
1976 Elisabeth Steiger-Roth SVP
1977 Hannes Walz FDP
1978 Fred Feitknecht SP
1979 Gottfried Hofmann SVP
1980 Hansruedi Stoll FDP
1981 Peter Fankhauser FWW
1982 Gottfried Gfeller SP
1983 Fritz Gasser SVP
1984 Klaus Moser FDP
1985 Richard Braun FWW
1986 René Bauer SP
1987 Willy Kilchenmann SVP
1988 Fritz Jenzer EVP
1989 Jürg Wettstein FDP
1990 Rudolf Stooss FWW
1991 Matthias Weber SP
1992 Peter Hubacher SVP
1993 Roland Möschler FDP
1994 Kurt Baum FWW
1995 François Breitenmoser CVP
1996 Werner Lüthi SP
1997 Therese Bernhard SVP
1998 Niklaus Mayer FDP
1999 Toni Maurer EVP
2000 Jonathan Gimmel FWW
2001 Jürg Kaufmann SP
2002 Andreas Wälti SVP
2003 Franziska Fritschy FDP
2004 Hans Ulrich Joss SP
2005 Hans Ulrich Born SVP
2006 Hanspeter Stoll FDP
2007 Ruth Bichsel SP
2008 Bruno Wermuth SVP
2009 Harry Suter EVP
2010 Maja Widmer FDP
2011 Christoph Moser SP
2012 Heinz Stauffer SVP
2013 Christa Kühn-Blank SP/parteilos
2014 Gregor Messerli FDP
2015 Brigit Raymann-Ochsenbein SP
2016 Martin Wälti SVP
2017 Beatrix Zwahlen EVP
2018 Christof Läderach BDP
2018/19 Sven Christensen FDP
2020 Sandra Büchel SP
2021 Bruno Fivian SVP
2022 Michael Suter FDP
2023 Catarina Jost-Pfister GLP
2024 Guido Federer SP
2025 Stephan Zingg