Interkultureller Treffpunkt: Brückenbauende begleiten Migrantinnen

Neu ankommende Geflüchtete und hauptsächlich in Worb lebende Migrantinnen benötigen Unterstützung und Beistand, um sich in unserer Gemeinde zurechtzufinden und langfristig integrieren zu können. Die Herausforderungen sind gross, da in anderen Kulturen sehr unterschiedliche Werte und Lebensentwürfe gelebt werden. Idealerweise wird diesen Menschen eine Person zur Seite gestellt, die selbst als Migrant in die Schweiz gekommen ist, die Erfahrung und Engagement mitbringt, um die  Neuankömmlinge auf ihrem Weg zu begleiten. Genau diese Idee liegt einem Pilotprojekt zugrunde, das der Interkulturelle Treffpunkt (IKT) unter der Leitung von Renate Kormann und mitbegründet von Heidi Mosimann seit Anfang 2024 in Worb aufgleist. Es sind vor allem Frauen, die als «Brückenbauende» fungieren und sich dafür einsetzen, dass der Kulturschock abgefedert wird und die Integration gelingt.

Brückenbauende vermitteln zwischen Behörden, Institutionen, der einheimischen Gesellschaft und den hier ansässigen Menschen aus fremden Kulturkreisen. Sie begleiten zugewanderte Menschen auf ihrem Weg in ein neues Leben und zeigen auf, wo und wie Familien Beratung, Unterstützung und Begleitung im Alltag erhalten. Die begleiteten Migrantinnen erhalten so Einblicke in die Angebote und Aktivitäten von schweizerischen Organisationen. Sie werden bei Fragen des alltäglichen Lebens unterstützt und finden sich dadurch besser in der Schweiz zurecht. Durch die verbesserte Integration und das zusätzliche Wissen können Konflikte und schwierige Situationen vermindert und das Bild von Migrantinnen verbessert werden.

Idealerweise sind Brückenbauende Personen, die mit einer Migrationsgruppe vertraut sind und ihre Sprache sprechen. Sie nehmen innerhalb dieser Gemeinschaft eine Vertrauensstellung ein, sind dabei gleichzeitig in ihrer Wohnregion gut integriert und haben ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen und Chancen, die mit einem Leben zwischen zwei Kulturen einhergehen. Sie sind in der Gemeinde sowohl mit der Migrations- als auch mit der einheimischen Bevölkerung gut vernetzt, kennen die Funktionsweise von Verwaltung, Behörden sowie sozialen Organisationen in der Schweiz, deshalb kommt ihnen in der Integrationsförderung eine wichtige Brückenfunktion zu. 

Das Pilotprojekt der Brückenbauerinnen wird bereits in anderen Schweizer Gemeinden umgesetzt, so beispielsweise in Biel, Spiez, Ittigen und Münchenbuchsee, und wird als Projekt mit dem Namen «Schlüsselpersonennetzwerk» von der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern unterstützt. Dabei legt der Kanton Wert darauf, dass die Freiwilligenarbeit unter Migrantinnen und Migranten gestärkt und sichtbar gemacht wird. Die Brückenbauenden werden unterstützt, indem sie in Weiterbildungskursen zu Integrationsthemen geschult werden und sich vernetzen. 

Die Worber Post wollte wissen, was die Brückenbauenden motiviert, sich als Freiwillige zu engagieren, und sprach deshalb mit zwei unterschiedlichen Frauen:

Marzia Aqtashi aus Afghanistan ist seit 1992 in der Schweiz, arbeitet heute als Pflegefachfrau und hat seit 2006 die schweizerische Staatsbürgerschaft. Sie begleitet seit Jahrzehnten afghanische Familien auf dem Weg zur Integration. Sebrina Yosef aus Eritrea kam vor 18 Jahren als 7-Jährige in die Schweiz und unterstützt nun zum ersten Mal über das Schlüsselpersonenprojekt Migrantinnen aus Eritrea.

Marzia Aqtashi
«Ich wurde bereits 1994 Mitglied der Flüchtlingshilfe in Worb, die später in «Interkultureller Treffpunkt Worb» umbenannt wurde, um andere afghanische Familien bei der Eingliederung zu unterstützen. Ich hatte selbst drei Kinder, lebe in Rüfenacht und war deshalb in der Schule an Elternabenden oder in der Bibliothek Ansprechpartnerin für Migrantenfamilien. Dort wurde ich für Übersetzungen, Beratungen und Besprechungen gebraucht, ausserdem half ich beim Organisieren von Ausflügen mit dem Interkulturellen Treffpunkt. Es gab eine Zeit, als ich im Grossen Gemeinderat von Worb sass, zog mich aber bald wieder aus der aktiven Politik zurück. Ich arbeite zu 80 % als Pflegefachfrau, eine Arbeit, zu der ich mich erst in der Schweiz ausbilden liess. Es ist mir wichtig, engagiert und aktiv zu bleiben, unsere Arbeit ist und bleibt enorm wichtig. Ich habe in den letzten 30 Jahren schon sehr viele Familien unterstützen können.

Sebrina Yosef 
Ich bin vor 18 Jahren, im Alter von 7 Jahren, in die Schweiz gekommen. Durch meine Schwester bin ich zum Interkulturellen Treff gekommen. Sie wurde beim Einbürgerungsgespräch gefragt, ob sie Interesse habe, als Schlüsselperson beim IKT mitzuwirken. Da ich bei diesem Gespräch als Babysitterin für ihre Kinder anwesend war und Soziale Arbeit studiere, fand ich es sehr interessant und wollte mich ebenfalls einbringen. Viele Migrantinnen stammen aus ganz anderen Kulturkreisen und Lebensrealitäten. In vielen Ländern – insbesondere in der Dritten Welt – haben Frauen oft nur eingeschränkte Rechte. Sie wachsen häufig mit der Vorstellung auf, dass Ehe und Kinder im Leben eine höhere Priorität haben als Bildung und Berufstätigkeit. Wenn sie dann in die Schweiz kommen, erleben viele einen regelrechten Kulturschock. Das Ausländergesetz (AuG) verlangt eine klare Integrationsbereitschaft, was für viele Migrantinnen mit hohen Anforderungen verbunden ist. Es wird von ihnen erwartet, dass sie sich aktiv in die Gesellschaft integrieren, die Sprache erlernen und einer Arbeit nachgehen. Schnell kann dadurch das Gefühl der Überforderung und Hilflosigkeit entstehen. Genau hier setzt die Arbeit des Interkulturellen Treffs an. Der Treffpunkt bietet Frauen einen geschützten Raum, um sich auszutauschen, voneinander zu lernen und sich gegenseitig Mut zu machen. Durch verschiedene Aktivitäten entstehen Begegnungen (Eisbrecher) mit Einheimischen, die den kulturellen Austausch fördern und den Frauen helfen, sich in der Schweizer Gesellschaft besser zurechtzufinden.»

Das Projekt ist vorerst bis Ende 2025 gesichert. Für eine Weiterführung darüber hinaus werden jedoch zusätzliche finanzielle Mittel benötigt. Gleichzeitig werden weitere engagierte Personen gesucht, die sich als Brückenbauende künftig in diesem Projekt einbringen möchten. Denn Integration gelingt dann, wenn ein gemeinschaftlicher Prozess in Gang gebracht wird, der von gegenseitigem Verständnis und respektvollem Miteinander lebt. KS

Interessierte Personen können beim Interkulturellen Treffpunkt (IKT) ein Merkblatt mit den Anforderungen und Rahmenbedingungen für die Rolle als Brückenbauende beziehen.
Kontakt: 
Renate Kormann, Leitung Treff und Sozialberatung
Telefon 031 832 15 51, renate.kormann@kathbern.ch
Für das Projekt «Brückenbauende» des Interkulturellen Treffpunkts in Worb werden Spenden entgegengenommen: IBAN CH90 0900 0000 6052 2779 5 

Beitrag teilen:

Aktuelle Beiträge

Am Samstag, 17. Mai 2025 öffnet das neue Gesundheitszentrum Worb am Bahnhofplatz 3 zum ersten Mal seine Türen für die Öffentlichkeit. Von 10 bis 16 Uhr erwartet die Besucherinnen und Besucher ein abwechslungsreiches Programm: ein Blick hinter die Kulissen, Gespräche mit den Therapeutinnen und Therapeuten – und kostenlose Kurzbehandlungen zum Kennenlernen. Kleine kulinarische Häppchen laden zudem zum Verweilen ein.

Dieser Tage zieht wieder Leben in die Richiger Dorfbeiz ein. Seit der Schliessung im Oktober 2024 haben die Eigentümer des Rössli-Areals nach einer Zwischennutzung als Überbrückung bis zum Start der geplanten Umbauarbeiten gesucht. Fündig wurden sie bei Helene und Roland Bieri, die dank ihrer Pop-up Bar Bar-Bara schon einiges an Erfahrung mitbringen. Im Juni 2025 soll das Pop-up Rossmarie Eröffnung feiern.

Mit seiner Indoor-Chilizuchtanlage hat Josh Wittwer 2022 in der Schweiz neue Massstäbe gesetzt. Nun wird aus der Einzelfirma eine GmbH. Seit März 2025 hat Rita Brodmann, Inhaberin der Papeterie Brodmann aus Burgdorf, die Geschäftsleitung inne. Derzeit sucht das Unternehmen einen neuen Standort für die Zuchtanlage.