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Brienz, nach dem Unwetter vom 12. August 2024. Bild: M. Schild

Klimageschichte: Zur Geschichte von Klima, Landschaft und Gesellschaft am Beispiel von Worb

Extreme Sommertemperaturen in Südeuropa und gewaltige Überschwemmungen in Osteuropa führen auch in diesem Jahr unweigerlich zur Frage, wie das Klima in früheren Jahrhunderten ausgesehen hat. Heinz Wanner hat dazu vor der IG Worber Geschichte einen Vortrag gehalten, in dem er auch auf die Veränderungen von Landschaft und Gesellschaft eingetreten ist. Das Klima war nach zahlreichen Eiszeiten auch in der jetzt herrschenden Warmzeit (Holozän) deutlichen Schwankungen unterworfen. Allerdings litten die Menschen vor allem unter Kälteeinbrüchen und Pestepidemien.

Die Eiszeiten
Klimawandel wird durch Energieschwankungen hervorgerufen. Diese Energie wird in Watt pro m2 ausgedrückt. In den letzten 2,7 Millionen Jahren erlebten wir 15 bis 20 Mal einen fast periodischen Wechsel zwischen Eis- oder Kaltzeiten und Warmzeiten. Diese massiven Temperaturfluktuationen wurden vor allem durch Energiebilanzschwankungen infolge der schwankenden Erdbewegung gegenüber der Sonne ausgelöst. 

Die letzte Eiszeit (Würm oder Birrfeld genannt) begann vor 115 000 Jahren und wies auch bei uns zwei grössere Vorstossphasen der Gletscher um zirka 55 000 und 25 000 Jahre vor heute auf. Dazwischen war das Mittelland gletscherfrei und steppenartig bewachsen. Vielleicht wurde es damals von umherziehenden Freibeutern (Mammutjäger) besucht. 

Der zweite Gletschervorstoss war grösser. Er erreichte sein Maximum um zirka 20 000 Jahre vor heute. Der Aaregletscher stiess bis in die Niederungen des Raumes Bern vor und prallte im Raum Bern – Worb seitlich an den Rhone- oder Wallisergletscher. Aus diesem Grund stammen die Findlinge im Raum Bantiger teilweise aus den Walliser und teilweise aus den Berner Alpen. 

Der grosse Wallisergletscher stiess von Westen her entlang des Mittellandes bis zur Endmoränenlandschaft beim Autobahnanstieg von Wangen an der Aare vor. Nach diesem maximalen Vorstoss setzte die Rückschmelzphase mit der typischen Vegetationsentwicklung ein: Zuerst entwickelte sich eine Tundra mit Gräsern und Zwergsträuchern (z. B. Wacholder), dann wuchsen erste Wälder mit Birken und Föhren, und schliesslich entwickelten sich wärmeliebende Wälder mit Schwankungen der Baumarten je nach Temperatur und Feuchte.

Die gegenwärtige Warmzeit, das Holozän
Die durch die oben genannte Erdbahnkonstellation ausgelöste aktuelle Warmzeit, Holozän genannt, begann um 11 700 Jahre vor heute mit einer starken sommerlichen Sonneneinstrahlung in der Nordhemisphäre, welche zum Abschmelzen der gros­sen Eisschilder in Nordamerika, Europa und Asien führte. 

Bereits in der Übergangsphase vor zirka 13 500 Jahren hatten umherziehende, späteiszeitliche Rentierjäger auf den Hügeln von Moosbüel bei Moosseedorf zeitweise eine hütten- oder zeltartige Siedlung mit Feuerstellen errichtet. Um 8000 Jahre vor heute waren die grossen Inlandeisschilder abgeschmolzen, das Klima war angenehm warm, und in den Niederungen des Worblentals blieb ein kleiner See und später eine Sumpf­ebene zurück. Nach der deutlichen Erwärmung durch die hohe Sonneneinstrahlung im Früh- und Mittelholozän gingen die Temperaturen auf der Nordhemisphäre im Sommer sukzessive zurück. Das Mass dieser Sommerwärme ist für Vegetation und Gletscher absolut entscheidend. Deshalb führte die Abkühlung ab etwa 5000 Jahren vor heute zu einem erneuten Anwachsen der vorher weit zurückgeschmolzenen Gletscher auf der gesamten Nordhemisphäre. Aus diesem Grund wird die Periode der letzten 5000 Jahre vor dem 20. Jahrhundert als Neoglazial bezeichnet. 

Die farbige Figur 1 zeigt eine Rekonstruktion dieser Gletschervorstösse für die letzten 3500 Jahre, welche aufgrund von überfahrenen Bäumen am Beispiel des Grossen Aletschgletschers rekonstruiert werden konnten. Erstens ist spannend zu sehen, dass regelmässig Schwankungen auftraten und dass Stärke und Zahl der Vorstösse bis 1860 zunahmen. Markante Kaltphasen mit Gletschervorstössen wurden in der Bronzezeit, in der Römerzeit und im Mittelalter von wärmeren Rückschmelzphasen unterbrochen. Zweitens stellt sich die spannende Frage, durch welche Energieeinflüsse diese Schwankungen zwischen warm und kalt entstanden sind. 

In der Regel traten Kälteeinbrüche und stärkere Niederschläge dann auf, wenn die Einstrahlung der Sonne schwächer war und wenn gleichzeitig grosse Vulkanausbrüche auftraten. Blieben diese kühlenden Ereignisse aus, wurde es wärmer, und die Gletscher wichen um 1 – 3  km zurück. Der maximale Gletschervorstoss der sogenannten Kleinen Eiszeit, welcher auf Figur 2 a anhand des Unteren Grindelwaldgletschers sichtbar ist, wurde erst um 1860 erreicht. Dies deutet klar an, dass wir momentan in einer starken Kühlphase leben würden, wenn diese Entwicklung im Verlauf des 20. Jahrhunderts nicht durch den menschgemachten Treibhauseffekt gebremst worden wäre.

Spannend ist, dass die kürzlich ausgegrabene, frühe Siedlung im Rohrmoos bei Richigen aus der Warmperiode der Bronzezeit stammt (Figur 1). Woher die Bewohner kamen und ob sie bereits Kelten waren, ist unbestimmt. Wahrscheinlich diente ihnen ein kleiner See in der Senke von Rohrmoos, der aus einem übrig gebliebenen Toteisrest des schmelzenden Aaregletschers hervorgegangen war, als willkommene Wasserquelle. Die auf Figur 1 anhand der Gletschervorstösse sichtbaren massiven Kälterückfälle um 2600 Jahre vor heute (Eisen-/Römerzeit), im Frühmittelalter und während der Kleinen Eiszeit haben im Worblental sicher zu einer gewaltigen landwirtschaftlichen Mangellage und zu Hungersnöten geführt. 

Ein klarer Nachweis für eine Klimagunst mit grossen landwirtschaftlichen Erträgen und aktivem Siedlungsbau stammt in Worb aus der Römerzeit. In der Sonnhalde wurde ab zirka 150 nach Christus ein stattlicher Gutshof betrieben, der um 250 einer Feuersbrunst zum Opfer fiel. Aufgrund des fortschreitenden Zerfalls des Römerreiches im späten
4. und im 5. Jahrhundert wurden keine grösseren Bauten mehr errichtet. 

Nach der darauffolgenden Kaltphase trat erst zwischen 900 und 1300 wieder ein wärmeres Klima auf, welches zu einer prosperierenden Landwirtschaft, zu einem markanten Bevölkerungswachstum und zu einem verstärkten Siedlungsbau führte. Frühe landwirtschaftliche Siedlungen wie Vechigen wurden dabei oberhalb der sumpfigen Talebene angelegt, und die verbindenden Strassen führten über die Anhöhen.

Von der Kleinen Eiszeit zur Gegenwart
Zahlreiche massive Vulkaneruptionen und mehrere längere Perioden mit einer geringen solaren Strahlungsstärke hatten ab 1350 zu starken Kälterückfällen geführt, welche auf Figur 1 anhand der drei massiven Gletschervorstösse um 1370, 1678 und 1860 sichtbar sind. Neben der schlechten Ernährungslage führten mehrere Pestepidemien auch in Europa zu einem massiven Bevölkerungsrückgang. 

Spannend ist, dass dabei biologische Kriegsführung eine Rolle spielte. Im Jahr 1346 brach die Pest im Heer eines mongolischen Fürsten aus, der die genuesische Hafenstadt Kaffa (heute Feodisia) auf der Krim belagerte. Dabei katapultierten die Mongolen mithilfe grosser Holzkonstruktionen infizierte Pestleichen in die Stadt, um sie zur Kapitulation zu bringen. Dadurch kamen die Flöhe auf den Pestleichen in Kontakt mit den schwarzen Ratten, die auf den genuesischen Galeeren lebten. Als die genuesischen Kaufleute im Frühjahr 1347 an Bord gingen, nahmen sie die Ratten und ihre infizierten Flöhe mit nach Italien. Von dort erreichte die Pest in den späten 1340er Jahren auch das europäische Festland und führte bei uns zu einer Pandemie mit massiven Todesfallzahlen. 

Wurde ein schlechtes Klima in frühester Zeit als Strafe Gottes angesehen, so schob man die Verantwortung mit der Zeit Hexen zu. Aufgrund vieler kalter, regnerischer und unfruchtbarer Sommer während der Kleinen Eiszeit wurde zunehmend von «unnatürlichem Wetter» gesprochen. Kirchenjuristen und Theologen arbeiteten in den 1430er Jahren eine Verschwörungstheorie in Form des «Hexenhammers» aus, und mit kirchlicher Unterstützung endete das Leben Tausender von Frauen und weniger Männer vor allem in der Periode zwischen 1570 und 1630 in Mitteleuropa auf dem Scheiterhaufen.

Nach 1860 setzte aufgrund der Zunahme der Industrialisierung, aber auch natürlicher Schwankungen eine Erwärmung ein. Wie Figur 2 b zeigt, zog sich der Untere Grindelwaldgletscher weit zurück und ist heute von Grindelwald aus nicht mehr sichtbar.  Nach der Entdeckung der grossen Erdölfelder im Nahen Osten führten die grossen Erdölkonzerne intensive Preisabsprachen. 

Ab 1950 wurde die Erde deshalb mit billigem Erdöl überflutet, und in Deutschland fiel der Weltmarktpreis für eine Tonne Rohöl zwischen 1950 und 1960 von 79 auf 12 Mark. Damit wurde das Energiesystem unserer Erde völlig umgekrempelt und auf Erdöl getrimmt. Dies führte dazu, dass der Einfluss des menschgemachten Treibhauseffektes bis heute fast 10 mal stärker geworden ist als die natürlichen Faktoren (Vulkane, Sonnenstrahlung). 

Die Temperaturen stiegen im Alpenraum im Mittel um 2.7 °C an, und Extremereignisse wie Sommertrockenheit, kurzzeitige Starkregen und Winterstürme nahmen zu. Seit 2023 treten in den Ozeanen und auf dem Festland unerklärlich hohe Temperatursprünge mit massiven Extremtemperaturen auf. Es besteht deshalb die Gefahr, dass auch bei uns Sommertemperaturen bis 45 °C und sommerliche Starkniederschläge wie soeben in Osteuropa sukzessive zum Normalfall werden. 

Zusammen mit der dichten Besiedlung und den komplexen Verkehrssystemen ist nach dem Kältestress der Kleinen Eiszeit eine neue, warmzeitliche Verletzlichkeit unserer Gesellschaft entstanden, welcher unbedingt mit einem Ausstieg aus der fossilen Energie begegnet werden muss.

Heinz Wanner war von 1988 bis 2010 Professor an der Universität Bern und Mitglied des UNO-Klimarates. Er ist Träger des inoffiziellen Nobelpreises für Geographie und Ehrendoktor der Humboldt-Universität zu Berlin.

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