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Livia Wermuth (links) und Olivia Schneider beim Planen in Vielbringen. Bild: zvg

Miliz- und Freiwilligenarbeit: Ein Dorf als Zukunftsschmiede

Im vergangenen August wurde Vielbringen zum Experimentierfeld. Das Ziel: eine nachhaltige Gemeinschaft schaffen. Die Künstlerin Olivia Schneider und die Ethnologin, Kunsthistorikerin und Ausstellungsmacherin Livia Wermuth erzählen, wie sie auf die Idee gekommen sind, ein Kulturfestival zu organisieren, und ob Kunst die geeignete Form ist, gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben.

Ausnahmsweise findet das Gespräch mit Olivia Schneider, 28, und Livia Wermuth, 31, nicht auf Worber Boden statt, sondern im Innenhof des Generationenhauses in Bern, wo sich Menschen jeden Alters auf einen Tee oder Kaffee treffen. Im Hintergrund findet auf einer kleinen Bühne eine Theateraufführung für Kinder statt. Alles in allem der richtige Ort, um über zukünftige Formen des Zusammenlebens, Produzierens und Konsumierens zu reden.

Dass die beiden Frauen ausgerechnet in Vielbringen ein Kulturfestival mit dem Fokus auf den Wandel in Gesellschaft und Landwirtschaft organisiert haben, kommt nicht von ungefähr. Beide haben ihre Kindheit in Vielbringen verbracht und Livia Wermuth hat, als Tochter von Gemeinderat und Bio-Bauer Bruno Wermuth, einen landwirtschaftlichen Hintergrund. In der Kunstszene tätig, sind sie sich in Basel wieder begegnet. Bei ihren Treffen sei Vielbringen und Nachhaltigkeit oft Thema gewesen. Daraus hat sich die Idee entwickelt, eine Plattform schaffen zu wollen, auf der sich Menschen austauschen, um gemeinsam eine andere Vorstellung von Gemeinschaft und Nachhaltigkeit zu entwickeln. «Vielbringen ist ein spezieller Ort», sagt Livia Wermuth, «mehr als die Hälfte der Landwirtschaftsfläche wird biologisch bewirtschaftet. Für uns kann dieses Dorf auch grösser gedacht werden, sei es als Gemeinschaft, als Konsumentin oder als Produzentin.» Und Olivia Schneider ergänzt: «Vielbringen könnte das erste Bio-Dorf der Schweiz werden.»

Ein Samenkorn pflanzen

Die lange Schliessung des Kultursektors während der Pandemie war nicht leicht für Olivia Schneider, die Künstlerin mit Fokus auf Perfomance ist, und Livia Wermuth, die bis vor kurzem noch als Assistenzkuratorin für das Zentrum Paul Klee tätig war und zurzeit für das Kunstmuseum Bern und die Fondation Beyeler arbeitet. Wie bei vielen anderen auch, ist in ihnen der Wunsch, nach einem Zurückkommen zur Natur und einem Neubilden der Gemeinschaft gewachsen.

Innerhalb kürzester Zeit haben sie ihr Kulturfest in Vielbringen auf die Beine gestellt, holten andere Kunstschaffende, aber auch die Dorfgemeinschaft von Vielbringen mit ins Boot. Die künstlerischen Arbeiten waren sicher ein wichtiger Aspekt, aber Olivia Schneider und Livia Wermuth boten den Einwohnerinnen und Einwohnern auch Möglichkeiten, sich selber einzubringen, wie z.B. mit offenen Gärten, in denen Wissen über Gemüseanbau ausgetauscht werden konnte. «Wir wollten in keinen elitären Diskurs einsteigen, alle sollten miteinbezogen werden. Wir wollen, dass Nachhaltigkeit Spass macht, und keinen Verzicht predigen», sagt Olivia Schneider und Livia Wermuth führt weiter aus: «Die Landwirtschaft war lediglich im Fokus, weil wir diesen Hintergrund haben und sie in Vielbringen sehr wichtig ist.»

Wie wir in Zukunft nachhaltig als Gemeinschaft leben und konsumieren sollen, wird breit diskutiert und Kunst dient oft als Experimentierfeld, um andere Formen des Zusammenlebens zu erforschen. Doch kann Kunst eine Gesellschaft auch verändern? Für Olivia Schneider, die Teil des Kunstkollektivs «Politesse Publique» ist, steht es ausser Frage, dass Kunst einen Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse haben kann. Das Wichtigste sei aber, Neugierde zu wecken und mit den Menschen im Gespräch zu bleiben. «Dazu braucht es viel Herzblut und Engagement.» Das sieht auch Livia Wermuth so, für sie sind Experimentier- und Spielräume, wie sie unter anderem die Kunst bietet, wichtig, um neue Spiel- oder eben Lebensregeln zu erproben und mit einem breiten Publikum zu teilen. «Ich bin mir sicher, dass sich unsere Geschichten des Zusammenlebens und Konsumierens verändern, wenn wir neue Geschichten erzählen. Dies ist nicht nur, aber in besonderer Weise in der Kunst möglich.»

Der Gedanke, wie wollen wir in Zukunft leben, hat sie zurück nach Vielbringen gebracht und Themen wie Gemeinschaft, Nachhaltigkeit und Landwirtschaft, werden Livia Wermuth und Olivia Schneider auch in Zukunft weiterbeschäftigen. In Vielbringen haben sie ein Samenkorn gepflanzt und es wird sich zeigen, was daraus wird. AW

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