Wer ist Ruth Kleischmantat?
Ruth Kleischmantat: Was soll ich sagen… eine neugierige, am Leben interessierte Frau, die Menschen liebt.
Sie waren Kinderkrankenschwester, arbeiteten lange in der Pflege und haben sich mit 50 noch in Palliative Care weitergebildet. Jetzt leiten Sie das Trauercafé, wie sind Sie dazu gekommen?
Nach meiner Weiterbildung habe ich bei der Spitex Burgdorf ein Team aufgebaut, das zu Hause, in Heimen und Spitälern Schwerkranke und sterbende Menschen und ihre Angehörigen begleitet. Während meiner Weiterbildung im Alterszentrum Worb entstand die Idee, ein Trauercafé ins Leben zu rufen. Annemarie Pulver und Frank Heepen sind die grossen «Unterstützer» dieses Projektes und sie schenken mir ihr Vertrauen.
Wenn man Menschen beim Sterben begleitet, wird man mit vielen Ängsten und Schmerz konfrontiert, wie trägt man das?
Der Tod ist etwas Grosses und stellt einen vor viele Fragen. Man muss eine Ruhe und grosses Urvertrauen in sich und andere haben. Denn man muss mit den verschiedensten Situationen zurechtkommen. Jeder Mensch hat seine Geschichte und man darf nicht werten. Darum ist die Liebe zu Menschen unabdingbar.
Neben Beruf und Familie haben Sie sich immer ehrenamtlich engagiert. Was gibt Ihnen die Freiwilligenarbeit?
Für mich ist das etwas ganz Normales und eine Herzensangelegenheit, dass man sich um andere Menschen kümmert. Es gibt so viel Elend auf unserer Welt.
Sie haben Sterbende und ihre Angehörige in den schwersten Stunden begleitet, jetzt begleiten Sie Trauernde, woher nehmen Sie die Kraft dazu?
In jedem Leben gibt es Leid, so auch in meinem, und ich denke, man wächst aus dem Schweren, man wird tiefer, denkt weniger an sich selbst, sondern auch an andere. Ich glaube, wir haben die göttliche Kraft in uns und die Liebe, die wir weitergeben, kommt irgendwoher zurück. Ausserdem habe ich ein unglaubliches Vertrauen in die Menschen.
Warum braucht es Ihrer Meinung nach ein Trauercafé?
Um überhaupt weiterleben zu können, muss man die Trauer leben. Dazu braucht es eine vertraute Umgebung und einen geschützten Rahmen, wo man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann und akzeptiert wird, dass uns die Trauer ein Leben lang begleitet. Es braucht Mut an einen solchen Ort zu gehen und es ist grossartig, wenn man diesen Schritt macht.
Wer nutzt das Angebot?
Hauptsächlich Frauen. Männer trauern anders und gehen eher in die Aktivität, in Vereine, Sport oder Ähnliches.
Welche Anliegen habend die Menschen, die zu Ihnen ins Trauercafé kommen?
Nicht allein sein im Trauerprozess, akzeptiert und verstanden werden. Es ist so schön in der Gruppe, wie man sich wieder Struktur gibt, Worte für Unaussprechliches findet. Eine Teilnehmerin beschrieb das Gefühl der Trauer vor kurzem als Tsunami, der über einen hereinbricht. Die wichtigsten Pole im Leben sind Geburt und Tod. So wie jemand bei der Geburt da ist und hilft, sollte auch beim Sterben jemand da sein, der hilft einen geliebten Menschen loszulassen.
In unserer Gesellschaft scheint es immer weniger Platz für das Trauern zu geben und dieses wird manchmal sogar pathologisiert, schliesslich geht das Leben ja weiter. Wie erleben Sie das?
Ja, das erlebe ich auch. Am Anfang hat man einen gewissen Schutz. Aber die ersten Monate nach einem Todesfall ist man so beschäftigt. Es gibt viel zu organisieren, man hat mit den Ämtern zu tun und kommt gar nicht zum Trauern. Dann kommt der Punkt, wo es heisst, jetzt ist gut. Nichts ist gut, die Trauer kommt mit voller Wucht und man muss alleine durch. Laut den Frauen im Trauercafé sind die Sonntage besonders schwierig. Deshalb organisieren wir über das Trauercafé einmal im Monat ein Sonntagmittagstreffen. Das Bedürfnis nach diesem Angebot ist riesig.
Welche Zukunftspläne haben Sie?
Mir ist wichtig, dass ich für meine Enkelkinder da sein kann und all das Lustige und Leichte mit ihnen erlebe. Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit habe ein Stück aus meiner Berufserfahrung weiterzugeben. Ich hoffe, dass auch ich später einmal Hilfe annehmen kann. Ich bin dankbar für diese geschenkten Jahre.
Interview: AW
Trauercafé
Mehr Informationen unter:
www.zentrumalterworb.ch
Tel. 031 839 02 48