Politik nach Plan

Vor einigen Jahren unterrichtete ich in der Branchenkunde das Modul Politik. Im Rahmen eines Planspiels sollten die Lernenden eine ganze Grossrats-Session durchspielen und so die kantonale Politik kennen lernen. Zuerst gab es Theorie (Motion, Interpellation, Fraktion, Parteien etc.). Am Folgetag schlüpften alle Lernenden in die Rolle eines Politikers. Einige waren in Fraktionen, andere in Verbänden, wiederum andere Parteisprecher oder Parteipräsidenten. Die Lernenden wurden den damals entsprechenden Kräfteverhältnissen im Grossen Rat «parteilich» eingeteilt.

Themen waren der Ausbau des Flughafens Belpmoos, die Schlies­sung der Reithalle und der Bau einer Velobrücke samt Flora und Fauna von Muri in die Berner Altstadt. Die Neu-Politiker verfassten Ansprachen, diskutierten und bereiteten sich auf die Session mit Abstimmung vor. Das Ergebnis war leider klar nach Parteiprogramm. Die Bürgerlichen wollten die Reitschule schliessen und die Grünen die Velobrücke bauen etc. 

Für das nächste Jahr passte ich das Planspiel an. Die Lernenden mussten in Rollen schlüpfen, mit Wohnort, Hobbies und diese persönliche Meinung auch vertreten. Nun war mehr Engagement bei den Politikern auszumachen. Beispielsweise war die grüne Grossrätin aus Adelboden nicht mehr gegen den Ausbau des Flughafens. Schliesslich bringt ein moderner Flughafen mehr Touristen, welche in ihrem Chleiderlädeli Handschuhe und Schals kaufen. Der SVP-Hardliner erinnerte sich daran, dass seine Kids doch ab und zu auf dem Reithalle-Vorplatz skaten waren, und enthielt sich somit der Stimme zur Schliessung der Reithalle. Der grüne Grossrat und die SP-Grossrätin, welche praktisch nebeneinander im Egghölzli-Quartier wohnen, waren plötzlich nicht mehr so begeistert von der Velobrücke. Ihre Aussicht würde von den Brückenpfeilern beeinträchtigt. 

Die persönliche Situation und die privaten Interessen mussten nun mit der Haltung der politischen Partei abgewogen werden. Es gab angeregte Diskussionen, hitzige Debatten und es wurden überparteiliche Abmachungen getroffen. An der Session gab es für alle Parteivertreter die Möglichkeit, ihre Argumente und Sachlagen nochmals darzulegen. In hochemotionalen Reden wurde nochmals auf die enorme Wichtigkeit des Themas hingewiesen. Noch unentschlossene Stimmen versuchte man für sich zu gewinnen. 

Ich war begeistert. So funktioniert Politik. Dachte ich bis zu meinen ersten GGR-Sitzungen. Die Sitzungen folgten dem Muster, als mein Planspiel noch nicht ausgereift war. Habe ich nun jahrelang den jungen Erwachsenen ein falsches Bild von Politik vermittelt?

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Janick Gfeller,
Mitglied GGR

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