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Das Servierteam, das die Gäste am Ausweihungsfest am 1. Juli bedient hat. Bild: zvg.

Schliessung Gastorant: «Das Gastorant bleibt ein Teil meiner Identität»

Worb hat wieder einen Gastrobetrieb weniger. Nach 22 Jahren hat Anita Vogt anfangs Juli das beliebte Lokal in der Lindhalde-Siedlung geschlossen. Die leidenschaftliche Gastgeberin erzählt von ihrem Leben.

Im Jahr 2000 hat die gelernte Krankenschwester Anita Vogt beruflich umgesattelt und im unteren Stock ihres Hauses das Gastorant eröffnet. In den vergangenen Jahren hat sie an zwei Tagen in der Woche einen Mittagstisch und an den Freitag Abenden jeweils ein dreigängiges Menü angeboten. Doch nun fängt für sie ein neuer Lebensabschnitt an. Vor einem Monat hat sie sich frühpensionieren lassen, um mehr Zeit mit ihrem Mann verbringen zu können.

Frau Vogt, das Gastorant ist geschlossen, wie fühlen Sie sich?
Anita Vogt: Das Gastorant ist und bleibt ein Teil meiner Identität, auch wenn es jetzt geschlossen ist. Ich habe es selbst aufgebaut und ich koche sehr gerne. Einfach alles hat mit mir zusammengehangen. Freizeit blieb nur wenig. Aber jetzt kann ich mehr mit meinem Mann unternehmen und (Freizeit-)Aktivitäten nachgehen. Ich höre also mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf.

Hatten Sie einen schönen Abschlussanlass?
Wir hatten zwei Ausweihungsfeste: eines am 24. Juni und eines am 1. Juli. Es kamen nur geladene Gäste, Stammgäste, Freunde und treue Gäste aus der Siedlung. Es war sehr schön und herzhaft, mein Mann hat Keyboard gespielt und ich zeigte eine Dia-Show aus 22 Jahren Gastorant.

Wie ist das Gastorant-Konzept entstanden?
An meinem 40. Geburtstag hat mich eine Freundin in ein Siedlungslokal eingeladen. Da wir in der Lindhalde auch so einen Raum zu unserem Haus gekauft haben und ich gerne koche und baue, dachte ich, genau so etwas möchte ich machen. Als 1997 der Gasthof Bären in Worb abgerissen wurde, hatte ich die Möglichkeit Material wie z.B. Wandtäfer und Eichenparkett zu beziehen. Weiteres Inventar habe ich zum grössten Teil aus Fundgruben und Liquidationen zusammengetragen und dann selbst verbaut. Hierzu habe ich in der Migros­klubschule einen Maurer- und Plättlikurs besucht. Für die Menüs habe ich gern Neues ausprobiert, diese waren immer themenbezogen, entweder nach einem Land oder der Jahreszeit. In 22 Jahren habe ich 2640 Menüs zusammengestellt.

Hatten Sie Angestellte?
In den letzten sechs Jahren war eine Syrerin für die Mittagstische bei mir angestellt. Es war eine tolle Zusammenarbeit. Für sie bedauere ich die Schliessung, aber ich konnte ihr bei der Stellensuche behilflich sein. Für den Service während der Freitagabende haben Kinder und Jugendliche aus dem Lindhalde-Quartier bei mir gearbeitet. Es hat ihnen grossen Spass gemacht, die Eltern zu bewirten, und so manches Elternpaar hat gestaunt, was ihre Kinder bei mir gemacht haben, zu Hause aber nicht unbedingt tun wollten. Ich habe ihnen jeweils eine Einführung in den Service gegeben, ihnen gesagt, einheitlich angezogen zu sein.

Sind die Kinder und Jugendlichen von selbst auf Sie zugekommen?
Das war meine Bedingung für die Aufnahme ins Servierteam, dass nicht die Eltern bei mir angefragt haben, sondern die Kinder selbst.
Beim Einweihungsfest vor 22 Jahren wollten alle Kinder ihren Eltern servieren. Da kam mir die Idee auch in Zukunft den Freitagabend mit Kindern zusammen zu betreiben. Die Nachfrage servieren zu dürfen, war sehr gross, ich hatte sogar eine Warteliste. Für einen dreistündigen Einsatz haben sie 30 Fr. plus 10 Fr. Trinkgeld verdient.

Dann waren Sie auch so etwas wie eine Berufsberaterin?
Das kann man so sehen (lacht). Ein paar von den Jugendlichen haben tatsächlich eine Ausbildung in der Gastronomie gemacht, für einige habe ich auf Wunsch ein Arbeitszeugnis geschrieben.

Wie hat sich Corona auf das Gastorant ausgewirkt?
Vor Corona hatte ich dienstags und donnerstags den Mittagstisch für Kinder und Erwachsene und am Freitagabend geöffnet. Während der Pandemie habe ich einen Hauslieferdienst und Takeaway aufgebaut. Der war sehr beliebt, da gingen täglich an die 70 Menüs raus. Jetzt, wo wieder alles offen ist, habe ich den Druck gespürt. Einerseits wollten die Leute, dass ich den Hauslieferdienst beibehalte, gleichzeitig kamen wieder mehr Gäste in mein Lokal. Aus diesem Grund habe ich den Freitagabend weggelassen.

Was war ihr schönstes Gastorant­erlebnis?
Da gibt es eigentlich keinen einzelnen Anlass. Selbst wenn mich der Worber Kulturpreis (2014) enorm gefreut hat, so waren es immer wieder die Momente, wenn alles glatt gelaufen ist, die Gäste zufrieden waren, gut gegessen und geplaudert haben, die Kinder voll engagiert mitgeholfen haben.

Wie geht es jetzt mit dem Gastorant weiter?
Zurzeit habe ich noch keine konkreten Pläne. Im Moment wird das Gastorant von vier Geschwistern aus der Siedlung genutzt, die einen Fitnessraum gesucht haben. Solange ich nicht weiss, was ich mit dem Raum mache, sollen sie ihn doch nutzen. Ein Teil des Inventars erhält mein Bruder, der im Heimatdorf meiner Grossmutter in Spanien ein Haus renoviert. Vom anderen Teil gibt’s dann im Herbst einen Flohmarkt. Interview: AW

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