Am 30. November 2025 stimmen wir unter anderen auch über die Initiative für eine Zukunft ab, die von der Juso lanciert wurde, wonach Erbschaften abzüglich eines Freibetrags von 50 Millionen mit einer Erbschaftssteuer von 50% besteuert werden sollen. Für Daniel Stucki, FDP, eine reine Neidsteuer mit geringer Wirkung auf den Klimaschutz. Charlotte Günther, SP / Juso, hält dagegen, dass die Klimakrise ohne soziale Gerechtigkeit nicht gelingen kann.
Klimaschutz muss man sich leisten können, nicht für alle sind Bioprodukte oder energetische Haussanierungen erschwinglich. Es geht auch um soziale Gerechtigkeit. Fest steht, dass vermögende Personen durch ihren Lebensstil mehr CO2-Emissionen verursachen. Ebenso bewusst ist uns, dass in der Schweiz mehr für den Klimaschutz getan werden muss. Doch woher sollen die notwendigen Fördermittel herkommen? Sollte die Initiative angenommen werden, könnten mit den Geldern notwendige Klimaschutzprojekte vorangetrieben werden. Wovon auch Gemeinden wie Worb profitieren würden. Aus Sicht der FDP würde die Annahme der Initiative den Wirtschaftsstandort Schweiz jedoch erheblich gefährden. Wie Klimapolitik gelingen kann darüber haben sich Charlotte Günther und Daniel Stucki im Streitgespräch unterhalten.
In seinem Politforumsbeitrag im Mai 2025 hat Herr Stucki die Zukunftsinitiative der Juso als Umverteilungsinitiative mit sozialistischem Einschlag bezeichnet, deren Präsentation als Klimapolitik irreführend sei. Was halten Sie dagegen, Frau Günther?
Charlotte Günther: Für uns ist klar, dass wir diese Initiative als Antwort auf die bis jetzt fehlgeschlagene Klimapolitik der Schweiz lanciert haben. Das Kernthema ist der Klimaschutz. Es braucht jetzt mehr Investitionen und der Klimaschutz muss auch sozial gerecht umgesetzt werden. Das diese Initiative auch eine Rückverteilung beinhaltet, ist uns durchaus auch bewusst. Wir haben jetzt die Situation, dass das reichste Prozent der Schweizer Bevölkerung fast 45% der Vermögen besitzt. So eine grosse Vermögenskonzentration geht auch mit einer Machtkonzentration einher. Das sollte man definitiv auch bekämpfen. So gesehen sehe ich die Initiative nicht als irreführend. Viel irreführender finde ich, dass in der Schweiz behauptet wird, man täte genug für den Klimaschutz.
Daniel Stucki: Die Juso verkauft uns die Initiative als Klimapolitik, aber in Wahrheit geht es von mir aus gesehen nicht um Klimapolitik. Es ist ein reines Steuerprojekt, das kein einziges Klimaproblem löst. Es gefährdet Familienunternehmen und Arbeitsplätze und schwächt somit den Wirtschaftsstandort Schweiz.
C.G.: Im Initiativtext ist festgeschrieben, dass die Steuer für sozial gerechten Klimaschutz generiert wird. Die Einnahmen sind zweckgebunden. Wir müssen massiv in die Sanierung von Häusern, die Energiewende und den Ausbau des ÖV investieren. Diese Gelder haben wir im Moment nicht, beziehungsweise der politische Wille fehlt, die notwendigen Gelder einzusetzen. Die Initiative würde eben genau die Mittel bringen, die wir brauchen. Der zweite Punkt zu den Familienunternehmen, die die ganze Zeit zitiert werden, wir müssen uns klar machen, betroffen von der Initiative sind die reichsten 2500 Leute in der Schweiz. Wir reden nicht vom kleinen Handwerksbetrieb, sondern von Grosskonzernen, die mit ihren klimaschädlichen Investitionen aktiv unsere Zukunft bedrohen.
D.S.: Ihr redet von 50 Millionen Vermögen und es gibt erwiesenermassen 1100 Unternehmen, die pro Jahr zwischen 50 und 100 Millionen Dollar erwirtschaften und das sind nur jene, die börsenkotiert sind. Das bedeutet nicht, dass diese liquide Mittel sind. Da reden wir nicht nur von diesen 2500 reichen Menschen, sondern von Familienunternehmen, die gezwungen wären, ein Unternehmen aufzulösen, weil die liquiden Mittel nicht vorhanden sind, um diese Steuer zu zahlen.
C.G.: Nur natürliche Personen würden besteuert. Es ist uns auch klar, dass diese Mittel nicht frei verfügbar sind, es ist aber durchaus möglich, diese Steuer zu zahlen, zum Beispiel durch eine Kreditaufnahme. Noch einmal, es geht nicht um kleine Unternehmen. Der Vizepräsident vom KMU-Verband hat 2015 gesagt, KMU seien nicht betroffen, wenn man bei einer Erbschaftssteuer einen Freibetrag von 50 Millionen einsetzt. Das sagen nicht wir als Juso, sondern das sagen die KMU’s selbst.
D.S.: Es haben jetzt aber schon ziemlich viele Unternehmer öffentlich bekannt gegeben, dass sie mit ihrem Unternehmen die Schweiz allenfalls verlassen würden, wenn diese Initiative angenommen werden sollte.
Eine Befürchtung die auch Bundesrätin Keller-Sutter teilt. Mit rund 2500 Personen zielt die Initiative auf eine sehr kleine Bevölkerungsgruppe. Trotzdem wird befürchtet, dass die Initiative der Schweiz als Wohn- und Wirtschaftsstandort schadet und kaum zu einem klimafreundlichen Verhalten beiträgt. Wie sehen Sie diese Bedenken?
C.G.: Der Initiativtext enthält auch Massnahmen, die erlassen werden müssen, um Steuerflucht zu verhindern.
Was sind das für Massnahmen?
C.G.: Da wäre beispielsweise eine Wegzugsteuer und Massnahmen, die sich auf fiktive Wohnsitze beziehen. Aber was mir noch wichtiger ist, die Drohung mit dem Wegzug, das ist kein Argument, das ist Erpressung. Das ist eine Drohung, die immer wieder hervorgeholt wird, wenn wir progressive Vorschläge machen. Schlussendlich bleibt es aber eine leere Drohung.
D.S.: Aber wenn genau diese Drohung umgesetzt wird, dann haben wir den Bumerangeffekt. Das führt nicht zu Mehreinnahmen bei den Steuern, sondern zu Mindereinnahmen. Der Bundesrat befürchtet einen Verlust von über 3 Milliarden. Wenn das eintrifft, fehlen diese Gelder beim Verkehr, in der Bildung, in der Forschung und in der Technologie. Schlussendlich trifft es die normalen Arbeitnehmer, wenn Firmen ihren Hauptsitz von der Schweiz abziehen, um die Steuer nicht bezahlen zu müssen. Diese Mindereinnahmen, die müssen dann jene abfedern, die hierbleiben und nicht einfach weg können. Das ist die Problematik, die ich sehe.
C.G.: Diese Berechnung basiert auf einem Gutachten, welches die Massnahmen zur Verhinderung von Steuervermeidung ausser Acht lässt und somit auf falschen Annahmen. Die Steuern sind nicht der einzige Grund, warum Menschen in der Schweiz leben wollen. Wir haben eine einzigartige Infrastruktur, eine hohe Lebensqualität. Über was in den Kampagnen der Bürgerlichen nie gesprochen wird, sind die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels auf das Leben der Menschen, wenn wir jetzt nichts machen. Darum ist es so wichtig, dass unsere Initiative jetzt kommt, damit die notwendigen Mittel bereitgestellt werden für sozial gerechten Klimaschutz, damit die Kosten eben nicht auf die breite Bevölkerung abgewälzt werden. Es geht darum, dass jene zahlen, die die grössten Auswirkungen auf den Klimawandel haben.
Diese Initiative zielt auf das Verursacherprinzip. Es ist erwiesen, dass Vermögende durch ihren Lebensstil mehr CO2-Emissionen verursachen als Normalverdiener. Was ist dagegen einzuwenden?
D.S.: Wenn man auf das Verursacherprinzip zurückgreifen will, dann müssen echte Ansätze ergriffen werden. Das wären z.B. CO2–Lenkungsabgaben, Förderung von Innovation und Energieeffizienz und Gebäudesanierungen. Aber in eurer Initiative werden keine konkreten Vorschläge gemacht, wie man CO2-Emissionen senken könnte. Es geht allein um die Geldbeschaffung. Klar, Geld ist wichtig, aber noch wichtiger ist, dass es auch effizient eingesetzt wird.
C.G.: Was du schon angetönt hast, die Ideen, was wir mit diesem Geld machen könnten, sind da. Aber im Moment wird einfach zu wenig investiert. Der Bund investiert jährlich etwa zwei Milliarden in den Klimaschutz. Aber laut einer Berechnung der Bankiervereinigung werden pro Jahr etwa zwölf Milliarden benötigt, um die Klimaziele der Schweiz einzuhalten, welche jetzt schon ungenügend sind. Was wir jetzt brauchen, ist eine sozial gerechte Finanzierung.
Bis 2025 will die Schweiz bei den Treibhausgas-Emissionen das Netto-Null-Ziel erreichen. Dafür werden vom Bund jährlich zwei Milliarden an Fördergelder bereitgestellt. Laut einer Studie des Bundes, die 2020 veröffentlicht wurde, müssten bis 2050 109 Milliarden investiert werden. Wo sollen also die nötigen Gelder herkommen? Die Initiative der Juso kann das kaum allein bewirken.
C.G.: Die Initiative ist ein Anfang. Im Moment ist der politische Wille, diese Gelder bereitzustellen, nicht da. Wir finden es gerecht, dass wir das Geld bei jenen holen, die es haben und auch von der Klimakrise profitieren und dafür verantwortlich sind. Aber es stimmt, die Initiative allein wird uns nicht retten. Aber es ist aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und vielleicht auch ein Zeichen, dass wir die Klimapolitik in der Schweiz neu denken müssen.
D.S.: Klimaschutz funktioniert nur, wenn er von den Menschen mitgetragen wird. Staatlicher Zwang und immer neue Verbote oder Steuern, das führt oft zu Widerstand. Während Einsicht, Innovation und Alternativen zu dauerhaftem Wandel führen können. Das sollten wir angehen.
C.G.: Da stimme ich dir komplett zu. Klimaschutz muss von der breiten Bevölkerung mitgetragen werden, das funktioniert vor allem dann, wenn er sozial gerecht ist. Im Moment fordern die FDP und die anderen bürgerlichen Parteien, dass die Leute ihren Heizungsersatz selber finanzieren müssen oder Bioprodukte statt M-Budget kaufen sollen. Aber das können sich die Leute zum Teil nicht leisten.
Wie gesagt, die Bevölkerungsgruppe, die diese Erbschaftssteuer treffen würde, ist sehr klein. Die Wirkung auf die breite Bevölkerung wäre doch sehr gering, sollte die Initiative durchkommen. Oder?
D.S.: Absolut
C.G.: Das stimmt, es ist nur ein kleiner Teil, der diese Steuer bezahlen müsste. Andererseits ist die Wirkung sehr gross, da auf einmal viermal mehr Mittel für den Klimaschutz vorhanden wären. Das würde einen realen Unterschied machen. Jedes Zehntel-Grad Erderwärmung, das verhindert werden kann, rettet unter dem Strich Menschenleben. Das betrifft dann wirklich alle.
D.S.: Ja, das betrifft alle. Aber das Klima endet nicht an der Schweizer Grenze. Wie bringen wir dann Europa dazu, beim Klimaschutz mitzuhelfen? Wenn wir uns hier in der Schweiz Verbote und schlechte Rahmenbedingungen für die Wirtschaft auferlegen, währenddem Europa nichts macht, da stehen wir weiterhin auf unserer Insel. Eigenverantwortung ist das Hauptziel. Nur dadurch wird Klimaschutz getragen.
C.G.: Im globalen Vergleich hat die Schweiz pro Person einen sehr hohen CO2 Ausstoss. Man kann Eigenverantwortung auch so verstehen, dass die Schweiz mit gutem Beispiel vorangeht. Klimaschutz muss man sich auch leisten können. Aber wer auf Klimaschutz verzichtet, schadet nicht nur sich selbst, sondern auch anderen Menschen. Darum reicht Eigenverantwortung nicht aus. Wir hängen immer noch der Vorstellung vom grenzenlosen Wachstum an und gleichzeitig zerstören wir unsere Lebensgrundlage. So kann es nicht mehr weitergehen. Durch Superreiche und Konzerne wird unsere Zukunft aufs Spiel gesetzt, nicht von jenen, die M-Budget Produkte kaufen.
D.S.: Ich sehe nur nicht ein, warum man jetzt jene, die etwas für die Wirtschaft und die Schweiz machen, bestrafen will.
C.G.: Mit dieser Initiative wollen wir niemanden bestrafen, sondern Menschen zur Verantwortung ziehen. Zur Innovation: Man spricht immer davon, dass Wettbewerb und Privatunternehmen so viel Innovation hervorbringen. Aber ein grosser Teil der Forschung wird staatlich gefördert. Innovation hängt auch davon ab, wie viele Mittel der Staat zur Verfügung hat.
Menschen sind Gewohnheitstiere, ohne einen gewissen Druck ändert niemand seine Lebensweise. Wäre es nicht angebracht, dass die Rahmenbedingungen auf gesetzlicher Ebene angepasst würden, um umweltfreundliche Technologien und Lebensweisen voranzubringen?
C.G.: Es gibt verschiedene Instrumente, wir haben jetzt bei der Finanzierung angesetzt. Natürlich kann man bis zu einem gewissen Grad auch selbst entscheiden, wie umweltfreundlich man lebt. Aber wir Durchschnittsmenschen sind da am kleineren Hebel, weil wir eben nicht für die grössten Emissionen verantwortlich sind. In der Initiative geht es darum, dass jene mit einem besonders schädlichen Verhalten zur Kasse gebeten werden und dass wir den Wandel, der nötig ist, verträglich über die Bühne bringen.
D.S.: Man sollte den Hebel am richtigen Ort ansetzen, nicht bei den Reichen, bei denen man davon ausgeht, dass sie Luxusgüter konsumieren, sondern bei der Besteuerung dieser Luxusgüter. Die effektivste Klimapolitik ist eine CO2-Bepreisung, Lenkungsabgaben, Innovationsförderung und gezielte soziale Abfederung. Wir wollen nicht die Armen noch ärmer machen, sondern, dass es allen gut geht und das Klima geschützt wird.
C.G.: Du hast Lenkungsabgaben erwähnt, das wird schon probiert, aber es reicht nicht aus. CO2 zu besteuern, kann man ebenfalls versuchen. Das heisst aber, dass jene sich ein klimaschädliches Verhalten leisten können, die die Mittel dazu haben. Die anderen schliesst man von gewissen Teilen des Lebens aus. Du sagst, Klimaschutz wollen wir alle, aber es ist wissenschaftlicher Konsens, dass die Schweiz zu wenig tut.
D.S.: Die Frage ist einfach, will man das Klima symbolisch oder wirksam schützen? Aus unserer Sicht ist eure Initiative symbolischer Klimaschutz. Die mutmasslich vier Milliarden zusätzlich bringen nicht den erwarteten Effekt.
C.G.: Was ist denn an vier bis sechs Milliarden zusätzlichen Einnahmen für den Klimaschutz symbolisch?
D.S.: Wenn alles gut durchgeht und niemand den Standort Schweiz aufgibt, dann kann man darüber reden. Aber das wird nicht passieren. Es werden Unternehmen und Einzelpersonen aus der Schweiz abwandern, weil sie einfach nicht gewillt sind eine Strafsteuer zu bezahlen.
C.G.: Was macht denn die FDP, damit diese Milliarden generiert werden können?
D.S.: Wir wollen effektive Besteuerungen: CO2-Ausstoss-Besteuerung, Lenkungsabgaben, Mobilitätswende, Industrietransformation, Kreislaufwirtschaft, internationale Zusammenarbeit. Das sind Themen, die wir angehen.
Aber genau das, was Sie soeben aufgezählt haben, kommt ohne zusätzliche Fördermittel nicht voran.
D.S.: Bei einer CO2-Basierten Besteuerung braucht es keine zusätzlichen Gelder. Im Gegenteil, dort werden die benötigten Gelder generiert. Die Politik ist nicht untätig, weil das Geld nicht da ist. Das vorhandene Geld wird nicht richtig eingesetzt. Dort muss angesetzt werden.
C.G.: Genau das macht unsere Initiative, weil die Einnahmen zweckgebunden sind.
Das heisst, diese zusätzlichen Einnahmen können Förderprogrammen zufliessen wie beispielsweise der Förderung von Photovoltaikanlagen, die hier in Worb bereits praktiziert wird?
C.G.: Das ist ein Ansatz. Dieses Förderprogramm hier in Worb ist super, aber es könnte weiter ausgebaut werden. Bei der energetischen Sanierung geht es nicht nur um Photovoltaik, sondern auch um die Isolation. Heutzutage muss ein Grossteil dieser Sanierungen immer noch privat finanziert werden oder bei Mitwohnungen werden die Kosten dann auf die Mietenden abgewälzt. Das ist schlussendlich sozial nicht tragbar. Durch Subventionen könnte man das weiter voranbringen.
INTERVIEW: AW