Der ehemalige Gasthof Kreuz in Worb wird mit dem Denkmalpflegepreis des Kantons Bern 2024 ausgezeichnet. Der Architekt und Bauherr Jürg Stettler aus Bern hat damit bewiesen, dass denkmalpflegerische und ökonomische Ziele durchaus harmonieren können. An der Preisverleihung vom 30. Mai wurde Jürg Stettler von der Denkmalpflege des Kantons Bern und Gemeindepräsident Niklaus Gfeller für seine Leistungen gewürdigt, wobei in Erinnerung gerufen wurde, dass auch dank hervorragender Handwerksbetriebe aus Worb die gelungene Sanierung des Gebäudes ermöglicht wurde.
«Investoren riefen uns an und fragten, ob man das Gebäude nicht ganz oder wenigstens teilweise abreissen könnte, um einen modernen Wohnblock auf dem Gelände zu erstellen», berichtete Daniel Gygax, Bauberater der Denkmalpflege. Er legte in seiner Rede zur Preisverleihung dar, warum gerade Jürg Stettler den Denkmalpflegepreis verdient habe. Am Anlass im Saal des «Kreuz» nahmen neben dem Architekten und Bauherrn Jürg Stettler und dem Gemeindepräsidenten Niklaus Gfeller auch Sibylle Birrer, Vorsteherin des bernischen Amts für Kultur, und die kantonale Denkmalpflegerin Tatiana Lori teil. Selbst Regierungsrätin und Bildungs- und Kulturdirektorin Christine Häsler war bei dem Ehrungsanlass anwesend.
Seit 2010 wird der Denkmalpflegepreis vom Kanton Bern gemeinsam mit der Fachzeitschrift «Umbauen + Renovieren» verliehen. Der Preis wird an Bauherrschaften vergeben, die in Zusammenarbeit mit der Fachstelle ein Baudenkmal mit Alltagsnutzung sorgfältig restauriert haben, um es aus der Vergangenheit in die Zukunft zu bringen. Dies ist Jürg Stettler mit dem Kreuz exemplarisch gelungen.
Die Idee
Vor fünf Jahren begann die Geschichte der Verwandlung des Gasthofs Kreuz, einem geschichtsträchtigen Gebäude im Zentrum von Worb, das ursprünglich ein bäuerlicher Wohnstock und seit 1879 eine Gastwirtschaft war, die zuletzt vom Ehepaar Kurz geführt wurde. Im Anbau aus dem späten 19. Jahrhundert gab es Wohnungen und einen Saal, der das Vereinsleben in Worb viele Jahrzehnte prägte. Nach der Schliessung des Gasthofs im Jahr 2012 war lange unklar, ob und wie das Baudenkmal erhalten werden könnte. 2019 erkannte Jürg Stettler das Potenzial des Gebäudes mit seinen hohen Räumen und der zentralen, ruhigen Lage. Er beschloss, das Haus zu kaufen, um es sorgfältig und nachhaltig zu restaurieren und die Einheiten im Stockwerkeigentum zu verkaufen. Zusätzlich wollte er anstelle des ehemaligen Schopfes ein kleines Einfamilienhaus auf dem Gelände realisieren.
Sorgfältige Planung
Bereits vor dem Kauf kontaktierte Stettler die Denkmalpflege und arbeitete eng mit Bauberater Daniel Gygax zusammen, um das Gebäude zu analysieren, den Umbau sorgfältig zu planen und Käuferinnen und Käufer für die Wohnungen zu finden. Daniel Gygax betont, dass in Worb hervorragende Handwerksbetriebe ansässig sind, die mit der Denkmalpflege zusammenarbeiten. Mit Andreas Bergmann konnte ein Worber Unternehmer und Bauphysiker gewonnen werden, der die Bauleitung übernahm sowie die anspruchsvollen Holzbauarbeiten tadellos ausführte. Das Worber Schreinerunternehmen Kilchenmann begeistert Jürg Stettler mit der gelungenen Renovation der alten Fenster, an denen die originalen Rahmen und Beschläge erhalten blieben, sowie der Restaurierung des ursprünglichen Parketts und des Täfers. Auch das Worber Malergeschäft Probst überzeugte durch seine ausgezeichnete Arbeit. Die Zusammenarbeit mit den spezialisierten Handwerkern, der Denkmalpflege und der Gemeinde verlief reibungslos. Dem Bauherrn gelang es, die Eigenheiten des Gebäudes zu bewahren, die alte Bausubstanz zu erhalten, selbst kleinste Details umsichtig zu restaurieren und originelle, schonende Lösungen zu finden. Die oberen Stockwerke beispielsweise werden durch die bestehenden Lauben von aussen her erschlossen, so dass die originalen Decken nicht aufgeschnitten werden mussten. Der gesamte Querbau wurde, wie ursprünglich bereits auf der Westseite, mit neuen Holzschindeln verkleidet, die Schnitzereien an den Lauben wurden liebevoll überarbeitet. Schliesslich wurde ein gemeinsamer Garten für die Hausgemeinschaft geschaffen.
Für Jürg Stettler war es ein Glücksfall, dass sich für das Kreuz, das als schützenswertes Baudenkmal im Bauinventar erfasst war, lange Zeit keine Interessenten fanden. So konnte er es zu einem vernünftigen Preis kaufen und verkaufen. Und doch bereitete ihm die Finanzierung des Projekts anfangs schlaflose Nächte. Das beeindruckende Ergebnis der Restauration hat in der Worber Bevölkerung Lob und Begeisterung ausgelöst, und Gemeindepräsident Niklaus Gfeller dankte dem Architekten in seiner Rede für das «Geschenk, das er Worb gemacht hat». Er freut sich über das neue Leben, das die Räume des alten Kreuz nun erfüllen. Das sanierte Kreuz werde das Gesicht der Kreuzgasse weit in die Zukunft hinaus prägen.
Ein offenes Haus
Mit dem renovierten Kreuz bleibt ein wichtiges Element des Ortsbildes und der Geschichte von Worb erhalten. Jürg Stettler hat gezeigt, dass ein Baudenkmal durch sorgfältige Planung und Investition gewinnbringend in die Gegenwart und die Zukunft geführt werden kann, ohne seine historische Substanz zu verlieren. Der Umbau ist zudem ein gelungenes Beispiel für Verdichtung im historischen Baubestand. Die Gaststube und der Saal bewahren ein Stück des alten «Kreuz»-Geists: In zarten Pastelltönen gehalten, ist der einladende Saal regelmässig für Besucherinnen geöffnet. Jeweils am Freitag zwischen 11.30–17.30 Uhr lädt die Künstlerin Anette Keo ein, ihr Atelier, das Teehaus Magnolia, zu besuchen. So bleibt das Wirtshaus Kreuz auch in Zukunft ein Ort der Begegnung und der Geselligkeit. KS