Der Fotograf Christian Zimmermann wanderte im Frühjahr 2019 von seiner Haustüre bis nach Moskau. Als Transportmittel für Gepäck und Proviant diente ihm ein Einkaufswagen. Am Freitag, 3. Februar 2023 gastiert er mit seiner Live-Reportage im Bärensaal in Worb.
Stellen Sie sich Folgendes vor: Eines Tages packt Sie das Fernweh. Sie füllen einen Einkaufswagen mit Proviant, Ersatzkleidern und einem Zelt und gehen zu Fuss los. Schritt für Schritt. Tag für Tag. Bis sie in Moskau angelangen. Unmöglich? Nein, denn genau das hat Christian Zimmermann gemacht. Der Fotograf aus Flumenthal liebt es, aus eigener Körperkraft zu reisen. Auf die Idee mit dem Einkaufswagen kam sein Bruder, als Zimmermann im Jahr 2016 den Plan hatte, zu Fuss im «Outback» von Australien unterwegs zu sein. Begeistert von dieser Fortbewegungsart, konnte er sich am Ende der Australien-Reise nicht von seiner «Mrs. Molly» trennen, wie er sein Gefährt liebevoll nennt. Er liess sie kurzerhand einschiffen.
Drei Jahre später packte er «Mrs. Molly» für das nächste Abenteuer. Diesmal sollte die Route vor seiner Haustüre beginnen. Um die neue Destination zu finden, zog er um Flumenthal einen Radius von 3500 Kilometern. Der Osten reizte ihn und so kam er bald auf sein neues Reiseziel Moskau. Bereits nach 10 Kilometern versperrte ihm eine steile Treppe den Weg. Mit seinem Freund, welcher ihn am ersten Tag begleitete, hievte er die 90 Kilogramm schwere «Mrs. Molly» nach oben. Der Freund meinte lachend: «Sei froh, nun liegt die einzige Treppe zwischen Flumenthal und Moskau bereits hinter dir.» Und er sollte beinahe recht behalten. Der verrückteste Abschnitt kam dann nicht in Form einer Treppe. Kurz vor Moskau riet ihm ein junges Paar, vier Kilometer auf der Autobahn zurückzulegen, weil das die einzige Möglichkeit war, etliche andere Autobahnen und Eisenbahnlinien zu überwinden. «Das war schon etwas haarsträubend. Pannenstreifen waren nicht überall vorhanden. Ich rannte mehr, als dass ich ging und war sehr erleichtert, als die Ausfahrt kam.»
Wer auf diese Weise unterwegs ist, ist den Elementen ausgesetzt. Es gilt Kälte, Nässe und Hitze auszuhalten. Man weiss nie, wo man die Nacht verbringen wird. Die Füsse laufen am Anfang wund. «Aber nach fünf bis sechs Wochen hast du damit keine Probleme mehr», meint Zimmermann lakonisch. Manchmal ficht man innerlich Kämpfe aus. Gilt es als Kapitulation, bereits am 4. Tag der Reise mit Grippe bei Dauerregen und saftenden Schuhen ein Hotel aufzusuchen? Oder ist es einfach nur gesunder Menschenverstand? Letzteres siegte bei Zimmermann. Und als der Hotelier sah, wer diese «Mrs. Molly» ist, die unbedingt mit rein musste, gab er ihm lachend ein grosses Doppelzimmer.
Reisen im Zeichen der Langsamkeit
Was Zimmermann an dieser Art zu reisen besonders reizt, ist das langsame Reisetempo. «Du entdeckst so viele Details, so viele kleine Dinge am Strassenrand. Du kommst mit so vielen Menschen in Kontakt. Du begegnest ihnen auf Augenhöhe, weil du nicht als reicher Tourist daherkommst.» Kein Tag verging, ohne dass Zimmermann beschenkt wurde. Der lettische Bauer, auf dessen abgeerntetem Feld er campte und mit dem er sich mit Händen und Füssen verständigte, kam nach einer halben Stunde mit Eiern, Käse, Brot, Gemüse sowie Trinkwasser und Wasser zum Waschen zurück.
Das A und O eines solchen Abenteuers ist Flexibilität: «Du kannst noch so fit sein. Du weisst nie, ob du diese lange Distanz schaffst. Es ist wichtig auf den Körper zu hören, Pausen einzulegen und genügend Zeit einzurechnen. Sonst kommst du nicht ans Ziel.» FRANZISKA NIKLAUS
Info und Tickets
www.dieweltentdecker.ch
Freitag, 3. Februar 2023,
19.30 Uhr, Worb Bärensaal