Die Postzustellung für die Einwohner von Ried erstaunt: Briefe kommen aus Worb, Pakete und Einschreiben müssen jedoch in Grosshöchstetten abgeholt werden, adressiert sind sie mit 3082 Schlosswil.
Obwohl sich der kleine Worber Ortsteil Ried mit seinen 161 Einwohnern Schlosswil verbunden fühlt und sich im Alltag Richtung Grosshöchstetten orientiert, schätzt man die Zugehörigkeit zur Gemeinde Worb. Die Worber Post hat Stephan Zingg, den Präsidenten des Orts- und Ofehüsivereins, interviewt und weitere Stimmen aus Ried eingeholt.
Sonnen-Lage auf 739 m
Ried ist mit 7 km Entfernung und 150 Höhenmetern Differenz der abgelegenste Ortsteil von Worb. Ländlich, ruhig und mit Blick auf die Kantonsstrasse 10 stehen traditionelle Bauernhäuser einträchtig mit modernen Flachdach-Häusern an sonniger Hanglage. Gleich «drüben in Schlosswil» liegen die Primarschule und das Restaurant Kreuz, und in Grosshöchstetten, das nur einen Katzensprung entfernt ist, kaufen die Rieder ein und gehen ihren Hobbys nach. Der Postautokurs 793 verbindet die Menschen mit den umliegenden Orten. Manchmal scheint in Ried die Sonne, wenn Worb unter einer Nebeldecke liegt. Dann scheint der Ort besonders friedlich und fern von städtischem Trubel. Und doch bietet Ried seinen Einwohnerinnen mehr als nur Landwirtschaft und Wohnhäuser.
Geselliges Backen: Das Ofehüsi
Bekannt ist vor allem das malerische Ofehüsi. In einer gemeinsamen Aktion bauten die Anwohner und Gewerbler aus Ried es 1987 komplett neu am jetzigen Standort auf, nachdem es vorher in schlechtem baulichem Zustand war, und gründeten den Ofehüsi-Verein. Heute findet dreimal im Jahr ein gemeinsames Backen statt: Brote, Züpfe, Nidlechueche und sogar Pizza gelingen hervorragend im Holzofen. Trachtengruppen und andere Vereine mieten das Ofehüsi und veranstalten Backtage für ihre Mitglieder, wobei den Hobbybäckern auf Wunsch eine erfahrene Backfrau zur Seite gestellt wird. 2019 wurde für das Worber Dorffest einmal einen ganzen Tag und eine Nacht im Ofehüsi durchgebacken, damit genügend Brote, Züpfe und Nidlechueche hergestellt werden konnten. Viele aus dem Dorf übernahmen jeweils eine Schicht, damit der Ofen auch in der Nacht befüllt werden konnte.
Nur wenige Meter entfernt entstand aus dem ehemaligen Feuerwehrmagazin ein Gemeinschaftsraum mit 40 Plätzen und einer Küche, zauberhafte Blumenportraits von Alfred Wirth schmücken die Wände. 20-mal pro Jahr vermietet der Orts- und Ofehüsiverein diesen Raum, zweimal im Jahr hält der Pfarrer von Worb hier eine Predigt. Die Einwohner sind froh, damit einen Versammlungsraum im Ort zu haben.
Bevölkerungsentwicklung und Gewerbe
Seit Jahren hat sich in Ried die Anzahl Bauernbetriebe nicht mehr geändert. Im Wandel begriffen ist aber die Bevölkerungsstruktur. Bei vielen landwirtschaftlichen Betrieben hat ein Generationenwechsel stattgefunden, und dank der Erstellung neuer Häuser sind junge Familien mit Kindern in den Ort gezogen. Viele Erwerbstätige arbeiten auswärts, doch auch fürs Homeoffice eignet sich Ried hervorragend, denn das Internet hat sich in den letzten 10 Jahren massiv verbessert. Mit der Ammann Forst GmbH, der Bautrocknung Bigler, Martha und René Gerbers Rösslifahrten und Daniela Wirths Couture-Atelier befinden sich einige Gewerbebetriebe in Ried. Andere Rieder Bewohner wie Stefan Wüthrich (Garage Wüthrich) und Livia Mosimann (B-Objekt) leben im Ort und führen ihren Betrieb an anderen Standorten. René Gerber baut Insektenhotels und Nistkästen. Ein besonders innovativer Landwirtschaftsbetrieb ist der Hof von Elsbeth und Adrian Keller: Hier kann Fleisch von eigenen Simmentaler-, Hereford- und Wagyu-Rindern gekauft werden. Schliesslich gibt es noch eine Tierpension und Hundeschule, sie wird von Jelia Jeremias-Lauber und Urs Lauber mit viel Leidenschaft geführt.
Ländlicher Charme
Die Weitsicht auf Berge, Felder und Wälder wird von den Menschen besonders geschätzt, doch auch das ausgewogene Verhältnis zwischen Nähe und Anonymität zu den Bewohnern des Dorfes. Man kennt sich und plaudert miteinander, aber es wird auch respektiert, wenn man sich zurückzieht. «Die Ruhe und die Nähe zur Natur sind einmalig – wenn ich auf unserer Terrasse sitze, kann ich die Raubvögel (rote Milane) beobachten. Wir haben hier grosszügige Platzverhältnisse für Mensch und Tier», sagt Livia Mosimann. «Auf der anderen Seite gibt es hier wenig Infrastruktur, auch könnte die Diversität grösser sein.» Die Kinder spielen meistens draussen. In Gruppen fahren sie Schlitten, Trottis und Velos, und bemalen die Strassen fantasievoll mit Kreide.
Unsichere Zukunft für die Schule in Schlosswil
Die Eltern wissen es sehr zu schätzen, dass ihre Kinder den Kindergarten und die Grundschule noch zu Fuss oder mit dem Fahrrad gefahrlos bestreiten können. Mittelfristig zeichnet sich aber eine Veränderung am Schulstandort Schlosswil ab. Ab 2024 könnte die Primarschule in Schlosswil, die nach der Schliessung des Schulhauses Ried vor 20 Jahren vergrössert worden war, geschlossen werden. Doch die Diskussion darüber ist noch nicht abgeschlossen.
Schlussworte
Livia Mosimann: «Ich habe einmal einen Rieder Geschenkkorb gebastelt und diesen nur mit Dingen gefüllt, die hier in Ried hergestellt werden. Ich war selbst überrascht, was wir alles zusammengetragen haben. Das hat beim Insektenhotel und Nistkasten begonnen über die Rieder Würste, Mandorla Likör bis hin zu Beton-Dekorationen und natürlich das feine Ofehüsi-Brot.»
Stephan Zingg: «Wir Rieder sind wohl, dass wir zu Worb gehören, und doch ganz zufrieden, dass Worb so weit weg ist. Wenn einmal im Jahr eine Delegation des Gemeinderates nach Ried kommt, wird das von uns sehr geschätzt.» KS