Manche Worber kennen Vielbringen nur als Verkehrsschild, nämlich dann, wenn sie am Bahnhof Worb SBB vorbeifahren. Nur selten ist Vielbringen ihr Ziel, denn es gibt keine Kirche, keinen Markt und kein Gasthaus im Ort. Doch die Bewohnerinnen beschreiben ihr Dorf als ausgesprochen lebenswert.
«Wir haben eine sehr schöne Wohnlage und ein traumhaftes Panorama», schwärmt Brigitte Bigler, Vizepräsidentin des Dorfvereins Vielbringen. Ihre Familie wohnt im denkmalgeschützten Bauernhaus von 1849, unterhalb der ehemaligen Käserei. Nur wenig Verkehr rollt durch den Ort, malerische Felder und der Wislewald laden zum Spaziergang ein: Man kann selbst im Winter auf der so genannten «Südrampe» mit Blick auf Sonne und Berge flanieren. Wesentlich für die Lebensqualität der Familien mit Kindern jedoch war der Entscheid von 2017, die Schule geöffnet zu halten. Das Schulhaus wurde 1907 am Ortsrand von Vielbringen auf halber Strecke Richtung Langenloh erbaut, damals wie heute für die Kinder von Rüfenacht und Vielbringen. Heute ist die Schulschliessung kein Thema mehr, denn es gibt genügend Kinder, die hier in einer Basisstufe und einer Mehrjahrgangsklasse unterrichtet werden. Die Schule erweist sich deshalb als Standortvorteil für Neuzuzüger mit Kindern.
Ein aktiver Dorfverein
Bis 2012 war die offizielle Anschrift «Vielbringen, 3075 Rüfenacht». Nachdem es immer wieder zu Problemen bei der Postzustellung kam, konnte der Dorfverein schliesslich durchsetzen, dass nun die offizielle Bezeichnung «3075 Vielbringen bei Worb» gilt. Bei 554 Einwohnern sind geschätzte 70 bis 80 % Mitglied im Dorfverein. Neuzuzüger werden persönlich begrüsst und zum nächsten Anlass des Dorfvereins eingeladen. 10 Veranstaltungen pro Jahr organisiert der Verein, dabei ist die Sichlete im August das wichtigste Dorffest. Auch der traditionelle Fondue-Abend, der jeweils im Advent mitten im Dorf stattfindet, ist äussert beliebt. Doch der Verein ist nicht nur für gemeinsame Aktivitäten im Dorf zuständig, sondern sieht sich auch als Schnittstelle für die Kommunikation mit den Worber Gemeindebehörden. Er ist Ansprechpartner für die Belange der Vielbringer Bevölkerung, deren Anliegen er in Worb vertritt.
Die Hälfte der Bauernbetriebe produziert ökologisch
Acht Bauernbetriebe gibt es noch in Vielbringen, davon produzieren drei biologisch, ein weiterer ist sogar ein Demeter-Hof. Zwei Betriebe sind in der Milchwirtschaft tätig. Einige Landwirte gehen einer zusätzlichen Erwerbsarbeit nach und im Gegensatz zu früher sind heute fast alle Frauen neben der Hof- und Familienarbeit berufstätig. Vielbringen ist aber auch Standort für einige Gewerbebetriebe. Neben einer Gartenbaufirma, einer Schreinerei und einem Gewächshaus der Stiftung Humanushaus findet sich auch eine Liegenschaftsverwaltung. Und mit dem «Schwalbennest» betreibt Sabine Egger einen Reiterhof, der nicht nur auf Reitstunden im klassischen Sinn setzt. Sie bietet auch pferdegestützte Therapien für Menschen mit Behinderungen an.
Kunst und lokale Gastronomie: Das «Vielfest»
Ein spannendes Kunst- und Theaterprojekt stellten im vergangenen Jahr die beiden Vielbringer Frauen Livia Wermuth und Olivia Schneider auf die Beine. Sie gründeten den Kulturverein Vielbringen und organisierten für das «Vielfest» unter anderem einen Kunstparcours, ein Theaterstück und eine Tanzperformance. Für das Buffet kochten die Veranstalterinnen einen besonderen Gemüseeintopf: Er bestand aus lokalem Gemüse, das nicht verkauft werden konnte, wie beispielsweise krumme Rüebli oder zu grosse Kartoffeln.
Sorgenkind ÖV
Es ist also alles perfekt in Vielbringen? Nicht ganz. Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr stellt die Bewohner nicht wirklich zufrieden. Es gibt eine Postautoverbindung im Stundentakt, die allerdings lückenhaft ist. Abendverbindungen fehlen, und Umsteigezeiten sowie die Fahrten zum und vom Oberstufenzentrum in Worb sind nicht optimal. Der Postautofahrplan passt nur selten zum Stundenplan der Kinder. Im Winter, wenn die Strassenzustände prekär und der Schulweg nicht zumutbar sind, organisieren sich die Eltern deshalb selbst, um nötige Schülertransporte zu machen. Immerhin liegt der Ort zwischen Worb, Rubigen und Muri verkehrstechnisch so, dass die Vielbringer in zwei Richtungen schnell auf der Autobahn sind oder auch mit dem Velo rasch an einen Bahnhof gelangen. Die Sportlichen legen natürlich den ganzen Weg mit dem Velo zurück. Denn die Vielbringer richten sich nicht nur nach Worb aus. Um die verschiedenen Hobbies wie Fussball und Unihockey auszuüben, fahren sie u.a. bis Münsingen, Allmendingen und Ostermundigen.
Willkommen in Vielbringen
Was hat sich in Vielbringen in den letzten 20 Jahren am meisten verändert? Zu dieser Frage sagt Regula Dobmann vom Dorfverein: «Es ist die Haltung gegenüber neu Zugezogenen, die sich in der jetzigen Generation am stärksten verändert hat. War man früher noch skeptisch gegenüber den Neuen, so ist heute eine grosse Offenheit, Achtung und Respekt für alle zu spüren, egal, was sie arbeiten oder woher sie kommen.» Der Zusammenhalt der Menschen sei deutlich spürbar. Schliesslich hat Vielbringen seit einigen Jahren endlich eine sehr gute Internetverbindung, die in Zeiten von Homeoffice und für die ansässigen Betriebe unerlässlich ist. KS
Rundweg Südrampe Vielbringen: www.ogworb.ch/clubdesk/fileservlet?id=1000995
Anne-Marie Dubler, Geschichte von Rüfenacht und Vielbringen: www.ruefenacht-vielbringen.net/Ruefenacht-Vielbringen.pdf