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2202_-Vis-a-Vis-Ernst-Ryser

Vis-à-vis mit Ernst Ryser, Trompeten-Bauer

«Vor vierzig Jahren wurde mir meine kleine Trompete gestohlen, sie tauchte nie wieder auf. Mit meinem Sohn, einem gelernten Instrumentenbauer, bauten wir in vielen Stunden mein neues Kornett. Das Kornett gilt als kleinste Trompete der Welt, mein Instrument ist nur 17 cm lang. Längst nicht jeder Trompetenspieler kann auf dem Kornett spielen – ich habe jeden Tag darauf gespielt, bis zu meinem ‹Schlegli› letztes Jahr. Gewisse Mund- und Handmuskeln machen seither nicht mehr recht mit, seltsamerweise kann ich problemlos Klavier spielen.

Ich erinnere mich an einen Auftritt in Luzern, als ich vom Speaker begrüsst wurde, dieser total nervös, weil ich ohne Instrument die Bühne betrat. Erst ganz zuletzt nahm ich mein kleines Kornett hervor, es hatte bequem Platz in der Busentasche meiner Chutte. Alle dachten: ‹Das cha ja nüt si›, bis sie meinen ‹Wilhelm Tell› von Rossini hörten. Der Ärnscht het me zersch mängisch nid so ärnscht gno.

Ich bin ein Bauernsohn und war ein Leben lang Bauer. Eine Weiche stellte ich in meiner Ausbildungszeit zum Landwirt, als es um die Rekrutenschule ging. ‹Geisch zur Kavallerie!›, sagte mir mein Lehrmeister. Ich darauf: ‹Nei, i gah zur Musig›. Das akzeptierte mein Chef, pochte aber darauf, dass ich jeden Tag übe. Im Militär hiess es dann ‹Trompetenspieler haben wir genug – ab zu den Posaunen!›. Bereits ein paar Wochen später sagte mir einer ‹Du muesch nachhär i ds Konsi!›, soweit kam es allerdings nie. Ich hatte in dieser Zeit meine zukünftige Frau kennengelernt und die Idee mit dem Musikstudium daraufhin beerdigt. Ich habe es nie bereut. Und trotzdem das Spielen auf der Trompete beibehalten.

Neben der Landwirtschaftsarbeit wurde ich mit den Jahren in mehreren Musikgesellschaften aktiv, als Trompetenspieler oder auch als Dirigent, in der Stadtmusik Bern war ich Vizedirigent. Und immer stand ich im Ruf, ein bisschen ein Militärkopf zu sein – weil ich nicht nur auf die Töne, sondern auch auf den äusseren Eindruck achtete. Stand man gerade da? Hatte man den Kopf aufrecht? Lag der eine Arm, mit dem man nicht spielte, schön ausgestreckt am Körper, lag die Hand dieses Armes genau auf der Naht der Hosen und der Daumen bündig neben dem Zeigfinger? Führte man die Trompete zackig zum Mund? Scheinbar wurde mein ‹Gesamtpaket› geschätzt, denn immer wieder wurde ich von Musikgesellschaften angefragt, weil sie ein besonderes Ziel erreichen wollten oder weil sie mit den bisherigen Dirigenten musikalische Differenzen hatten. Oder weil der Dirigent in Frauengeschichten verwickelt war.

Mein Instrument begleitete mich auf vielen Reisen, Gruppenreisen. Nach Verona, wo der Reiseleiter mich nötigte, auf der Bühne der Arena Verdis Aida-Lied zu spielen. Immerhin, die vielen Touristen und unsere Reisegesellschaft hatten ihre Freude. Auch der Auftritt auf der Bühne der Sydney-Oper war ein bisschen in einer Grauzone angesiedelt, wogegen ich in Darwin am Strand spielte, wo die Australier ihre kleinen Tischchen hinstellten, ihr Fleisch vom nahegelegenen Märit mitbrachten und dem Sonnenuntergang zusahen. Dort spielte ich ein paar Lieder der Heilsarmee, die haben eigene Stücke mit Melodien, die einem unter die Haut gehen. In Pisa spielte ich vor einer Kirche gegenüber dem schiefen Turm und wusste nicht, dass dort Musikmachen verboten war. Und der Polizist neben mir? Der machte voll mit, fing laut an zu singen! Bis dann ein zweiter Polizist dazukam und nach Stück­ende das Konzert beendete. Nicht ohne mir auf die Schulter zu klopfen und zu sagen, dass es schön gewesen wäre. Sein Kollege neben ihm lachte nur fröhlich.

Mit einer Musikgesellschaft machten wir mal Aufnahmen im Radio Studio Bern, und gingen danach nach Vielbringen, zu mir heim. Fünfzig Leute in der Stube, aber es störte meine Frau nicht, die fand das schön und zog bei der Musik sowieso mit. Morgens um 1 Uhr sagte einer: Mi sött doch no chly use ga spile. Wir gingen ins Dorfzentrum, dorthin, wo es eine Laterne gab, und fingen an zu spielen. Kein Mensch reklamierte, nur einer stand am Fenster und rief runter, dass er Freude habe.

Die Stärke meines Trompetenspiels liegt in der Dynamik, ich kann nicht nur Fortissimo spielen, sondern dem Kornett auch feine Pianissimotöne entlocken. Nach einer Beerdigung in der Kirche Worb kam ein Konsi-Lehrer zu mir und sagte: ‹Vielleicht dürften Sie beim Piano etwas lauter sein.› Als Instrument für eine Trauerbegleitung finde ich mein Instrument sehr schön, währenddem das Cello, das ich sehr schätze, eine Beerdigung eher noch trauriger macht, als sie es schon ist.

Bauer und Musiker – ich betrachtete in meinem Leben beides als gleichwertig. Im Dorf hielten sie mir manchmal vor, ich würde meine Trompete noch auf den Traktor mitnehmen. Was sogar ein bisschen stimmt. Ich fuhr mal auf einen Hof, um ein Fass mit Klärschlamm zu füllen, und während der Viertelstunde Wartezeit spielte ich auf meinem Instrument ein paar Lieder. Die Musik, die Töne, flossen stets in meinen Bauernalltag hinein – so wie ich mir als Bauer immer sagte: Mini Chüe göh nie ohni Glogge use.»

Aufgezeichnet von 
Bernhard Engler

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