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Vis-à-vis mit Regina Schneider, Vollblut-Jodlerin

«‹Bi üs geit e Jodler furt, wär das nüt für Di?›. Nach dieser Frage ging ich 1981 an eine Probe des Jodlerklubs Frohsinn in Heistrich, das Vorsingen beim Dirigenten fand eine Stunde vor einer Probe statt. Ich hatte einen Kopf wie eine überreife Tomate, dermassen peinlich war mir dieser Test. Aber alles ging gut und ich hielt dem Klub bis heute die Treue, als Worberin und jetzt als Enggisteinerin – und auch als Frau. Denn damals fragten sich einige Männer schon, ob das wohl gut käme mit mir – mein Beitritt ‹het z rede gäh›, und ich vernahm dies natürlich. Skeptiker merkten dann schnell, dass ich keine anderen Interessen hatte als zu jodeln und mich in der Gruppe zu integrieren.

Schritt für Schritt trat ich in die Jodelwelt ein, erlernte zum Beispiel die Technik des Kehlkopfschlages, die man im Bernbiet viel benützt. Jodeln geht am besten stehend, aber schon oft sang ich daheim unter der Dusche. Den Kehlkopfschlag nach unten, also den Wechsel in den Brustlag-Ton, gelang mir zum ersten Mal liegend in der Badwanne.

Neben dem Jodeln als Sängerin wurde ich später auch Kursleiterin und Dirigentin, wobei eine Jodlergruppe ein sehr demokratisches Bild abgibt. Als Dirigentin erkennt man mich nur bei der Probe – bei Auftritten wird ein Jodlerklub nicht dirigiert. Das Schöne für mich an der Leiterfunktion ist, den Bauer, den Handwerker und den Studierten auf den gleichen Level zu bringen. Wobei ich von vielen nicht mal die Berufe weiss, man spricht über anderes und mir ist auch egal, welche politische Einstellung ein Mitglied hat. Bei ‹meinen› Jodlern interessiert mich vor allem, dass es ihnen gut geht.

Einerseits pflegt das Jodeln eine Tradition, gleichzeitig gibt es durchaus eine Entwicklung. Neben Liedern, die üblicherweise Titel tragen wie ‹Bärglerfründe› oder ‹Aabestimmig›, existieren auch kecke Titel. Einer davon heisst ‹s Grüchtli›. Der letzte Satz dieses Liedes: ‹U jede hänkt no ds Sätzli dra: I wott de nüt gseit ha›. Am meisten berühren mich die Worte des Liedes ‹Wenn die wilde Chirschböim blüje›, und damit das wiederkehrend Zeitlose in so vielen Jodellied-Texten:

Wenn die wilde Chirschböim blüje
Sunnsyt’s a de Waldsöim nah
Tät es mi gar grüsli müeje
Wenn i nid chönnt use gah

Ich betrachte mich als eine ausgesprochene Ummel-Jodlerin, die Lieder dieses Komponisten sind meine Melodien. Das Besingen von Heimat und Schönem ist für mich positiv, es passt zu meiner Lebensphilosophie, genauso wie ich Freude habe, wenn ich im Wald einen Vogel singen höre oder in unserem Garten an einer Blume rieche. Falls ich für unsere Proben ein Lied vorschlage, gibt immer zuerst die Melodie den Ausschlag.

Selbstverständlich gibt es beim Jodeln Tabus, zum Beispiel, dass man beim Singen nicht auf Show macht, mit Tanzbewegungen nicht Effekte herausholen will. Trotzdem hat es für Spontanes Platz und ich erinnere mich an ein Jodlerfest im Wallis, wo wir im freien Gelände zu dritt zu singen begannen. Plötzlich hatten wir einen ‹Menschen-Trübu› um uns herum, wildfremde junge Leute setzten sich zu uns und fragten am Schluss, ob wir für sie gleich einen Jodel-Crash-Kurs durchführen könnten.

Jodeln ist Seelenbalsam, es entsteht aus Gutem und schenkt Dir Gutes. Und was ich ebenso weiss: I ha unändlech viel gueti Lüt lehre kenne. Unser jüngstes Mitglied ist eine Siebzehnjährige, und unser neustes Mitglied ist ein Sechzigjähriger, übrigens ein sehr guter Sänger. Natürlich haben auch wir Nachwuchssorgen und viele meinen, man müsse Noten lesen und bereits jodeln können. Was nicht stimmt. Mi muess nume chönne singe.»

Aufgezeichnet von 
Bernhard Engler

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