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Vis-à-vis mit Julian Oester, Geschenk-Erfinder

«Die Tradition der Weihnachtsgeschenke ist in unserer Familie nicht mehr dermassen vorhanden, der Druck ist weg, aber Spontankäufe liegen immer drin. Ich laufe lieber durchs Jahr hindurch an etwas heran und denke ‹ou, das wär doch öppis füre …›. Anderen geht es gleich, kürzlich erhielt ich von einem Freund einen Bieröffner, der Handgriff besteht aus zwei ausgestopften Känguru-Hoden. Eine Vorgeschichte trug wohl dazu bei, weil ich ihm mal eine ausgestopfte Katze schenkte.

Wenn ich etwas schenke, muss ich dahinter stehen können. Bei einem Wunsch meines Göttimeitschis gelang es mir mal nicht, so dass ich ihm nicht noch eine weitere der vielen Kunststofffiguren aus einer Fernsehserie schenkte, sondern einen gemeinsamen Ausflug mit dem Dampfschiff auf dem Thunersee. Ich hatte einfach den Eindruck, dass sein Wunsch nicht so dringend war, dass ihm halt nichts Besseres in den Sinn kam. Die Rückmeldung nach unserem Ausflug war auf jeden Fall, dass mein Göttikind an unserer Reise mehr Freude hatte als an einer zusätzlichen Plasticfigur in seinem Zimmer.

Als Beschenkter hatte ich immer Glück, die Leute rund um mich kennen mich. Ich habe Geschenk-affine Eltern und Freunde. Der Götti tüpfte ins Schwarze mit der Eragon-Reihe, mein Vater schenkte mir eine Hobelbank, weil er merkte, wieviel Freude ich am Handwerken habe. Dieses Geschenk gab es sogar zwischendurch, man muss nicht immer Weihnachten und Geburtstag abwarten. Meine Mutter schenkte mir eine Wok-Pfanne, weil ich gerne asiatisch koche.

Meiner Mutter schenkte ich zu ihrem fünfzigsten Geburtstag eine selbstgemachte Hängematte aus Holzstäben, fünfzig dicke Haslezweige bilden das Gerüst, die ich irgendwo gesucht und gefunden habe. Dieses Jahr, also dreizehn Jahre später, erhielt sie ein neues Modell von mir geschenkt, an meinem Geburtstag – wir fertigten die neue Hängematte gemeinsam an.

Ein Geschenk, das ich anfangs Jahr meinem Gotti gemacht habe: Ich schenkte ihr eine kleine Musikbox mit Kopfhörer und einen Gutschein für meine persönlichen Anleitungen dazu. Ich war bei ihr und erklärte, wie man Hörbücher runterlädt und auf Spotify hört, wie man die Verbindungen zwischen Handy und Kopfhörer herstellt und was die Unterschiede zwischen W-Lan und Blue­tooth sind.

Beruflich arbeite ich beim Projekt ‹Heitere Fahne›, ein inklusives Kulturhaus, wo das Soziale eine gros­se Rolle spielt. Und da die soziale Komponente auch beim Schenken mitläuft, denke ich, dass der freundschaftliche Umgang miteinander in diesem Betrieb auch eine Art Geschenk ist – ein Ganzjahres-Geschenk.

Schenken kann heikel sein, es ist etwas Intimes und hat oft mit Erwartungen zu tun. Für mich ist es nicht dasselbe, ob ich jemandem ein dreihundertfränkiges Geschenk kaufe oder drei volle Tage an einem Geschenk arbeite. Für eine Person, die ich schätze, investiere ich noch so gerne Zeit, ich gebe dabei auch etwas von mir preis. Was man mir selber immer schenken kann: Öppis unternäh mit mir, zum Beispiel eine Wanderung in eine Berghütte. Meine Freundin schenkte mir mal eine ‹Überraschungsfahrt nach Europa›, die Reise führte dann nach Lyon.

Es geht gegen Weihnachten zu und ich weiss bloss, dass ich am Weihnachtsabend für Freunde und Kollegen asiatisch koche. Indisches Essen, letztes Jahr versammelten sich in unserer Wohnung fünfzehn Leute, für dieses Jahr habe ich bereits achtzehn Anmeldungen. Einen Reservationsstopp gibt es nicht, es wird mit der Hilfe meiner WG-Kollegen sicher irgendwie gehen.

Was mir grad in den Sinn kommt: Von Gotti Vreni erhielt ich als kleiner Bub ein Stoffbäbi, das ich Vreneli taufte und das für mich enorm wichtig war. War das ein Drama, als es mal in einer Bahn liegenblieb. Es geht ihm gut, und es liegt heute in der Vielbringer Wohnung im Estrich. Aber es chunnt nie wäg!»

Aufgezeichnet von 
BERNHARD ENGLER

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