Das Sozialwerk Gleis 2, in den Räumen der alten Moschti gelegen, ist ein nicht gewinnorientierter, marktwirtschaftlich ausgerichteter Verein, dessen Ziel es ist, Menschen, die keinen Zugang zum geregelten Arbeitsmarkt haben, eine Beschäftigungsplattform zu bieten und sie im guten Fall wieder einzugliedern. Etwa ein Drittel der Kosten wird finanziert, der Rest muss durch den Betrieb gedeckt und durch Spenden finanziert werden. Als Geschäftsführer angestellt ist Andreas Schüpbach, doch die Organisation des Sozialwerks liegt in den Händen des Vereins. Dessen Vorstand sowie weitere Helferinnen und Betreuer arbeiten als Freiwillige für dieses sinnvolle und wegweisende Projekt.
1997 wurde ein erster Verein mit dem Namen «Stay a While» gegründet, der die Suchtprävention für Jugendliche zum Ziel hatte. Ihr erstes Projekt war ein Crêpe-Bus.
2007 wurde der Verein erweitert. Der neue Zweig nannte sich nun «recy-worb» und wurde zum Sozialprojekt für ausgesteuerte Arbeitslose, die Elektronikschrott zerlegten. Initiator, Gründer und Leiter war Erich Schüpbach, der Vater des jetzigen Geschäftsführers Andreas Schüpbach.
Im Oktober 2008 beschloss der Gemeinderat, «recy-worb» als Beschäftigungsprogramm von 2009 bis 2013 mit einem jährlichen Beitrag von 75 600 Franken zu finanzieren. Es wurde ein Leistungsvertrag zwischen «recy-worb» und der Gemeinde erarbeitet, 12 feste Arbeitsplätze wurden geschaffen.
2009 wurde «recy-worb» Partner der Abteilung Bewährungshilfe und alternativer Strafvollzug. Ab 2011 wurde es zum offiziellen und zertifizierten Zerlege-Betrieb der SWICO und S.E.N.S. und rezyklierte Elektroschrott aus Büro-, Kommunikations-, Unterhaltungs- und Haushaltelektronik wie PCs, Druckern, Kopierern, Fernsehern, Musikanlagen und Kaffeemaschinen.
Ab Herbst 2011 wurden auch Kunststoffe aller Art gesammelt und mit mehreren Gewerbebetrieben entstanden Entsorgungsvereinbarungen. Ab Frühjahr 2012 wurden monatlich fünf Tonnen Folien zu Ballen geformt, die mit Gewinn verkauft werden konnten. Wegen des Zerfalls der Rohstoffpreise musste diese interessante Sparte aufgelöst werden.
2013 begann die Zusammenarbeit mit der Flüchtlingshilfe der Heilsarmee. Für Asylsuchende mit Ausweisstatus N konnten eine Tagesstruktur und Möglichkeiten zur Arbeitsintegration geschaffen werden.
Im Januar 2014 wurde «recy-worb» zu gleis2-sozialwerk und aus dem Verein Stay a While herausgelöst, die Tätigkeiten blieben dieselben. An der Mitgliederversammlung vom September 2015 wurde ein neuer Vorstand mit Stephan Hauri als Präsident gewählt.
Seit 2019 ermöglicht die Olwo AG Tageseinsätze für die Beschäftigten, an denen die Teilnehmer beispielsweise Verästungen aus dem Holz schneiden. Sie lernen an diesen Einsätzen, sich auf dem 1. Arbeitsmarkt zurechtzufinden.
Seit 2020 arbeitet der Verein mit der GEWA zusammen, beispielsweise bei der Gestaltung von Gartensitzplätzen oder dem Verlegen von Gartenplatten.
Erwerbslose wieder eingliedern
Im Beschäftigungsprogramm von Gleis2-sozialwerk arbeiten Menschen, welche nicht im regulären Arbeitsmarkt integriert sind. In der Regel sind es Langzeitarbeitslose, die ausgesteuert worden sind und Gleis 2 von den Worber Sozialdiensten überwiesen werden. Sie werden von kompetenten Gruppenleitern und Zivildienstleistenden unterstützt und begleitet. Ziel ist es, ihnen eine Struktur zu geben und sie wieder an den 1. Arbeitsmarkt heranzuführen. Dieses Ziel kann jedoch nur teilweise erreicht werden. Die Beschäftigten arbeiten nur im Teilpensum und manche schaffen den Wiedereinstieg nicht, beispielsweise aufgrund psychischer Probleme oder Alkoholismus. Während in früheren Zeiten viele KMUs oder Bauernbetriebe Mitarbeiter, die ein normales Arbeitspensum nicht leisten konnten, aus sozialer Verantwortung trotzdem mitbeschäftigten, ist dies bei dem heutigen Wettbewerb fast nicht mehr möglich. Dabei wäre es für die Betroffenen ausserordentlich wichtig, eine Aufgabe und eine regelmässige Tagesstruktur zu haben.
Hauptaufgaben der Beschäftigten von Gleis 2 sind das Recycling von Elektronikschrott und Kunststoffen, die Kupfergewinnung aus Altkabeln, Wohnungsräumungen und der Bau von Transportkisten aus Holzpaletten, Garten- und Montagearbeiten für Private. Zudem werden Tageseinsätze für die Olwo oder die GEWA (FISSCO und FISOLAN) organsiert. Es gibt aber auch kreative Arbeiten, die in den Werkstätten geleistet werden. Einige der Beschäftigten fertigen Bilderrahmen, Brotbretter und Bauklötze aus Holzrestprodukten. Gelegentlich gibt es Aktionen gegen Foodwaste, wenn zum Beispiel überschüssiges Obst zu Marmelade verkocht und im Dezember auf dem Weihnachtsmarkt verkauft wird.
Freiwilligenarbeit der Vereins-mitglieder
Für die Vereinsleitung und Betriebsbegleitung wendet der Präsident des Vereins, Stephan Hauri, jährlich ca. 50–90 Stunden auf. Je nach Betriebsherausforderungen können die Zeiten neben den üblichen Besprechungen und Sitzungen aber noch höher ausfallen. Was motiviert ihn zu dieser Arbeit? «Mir ist es ein Anliegen, die Arbeit des gleis2-sozialwerks zu ermöglichen. Ich sehe es als Teil meiner Mitverantwortung im Dienst am Nächsten. Im Vordergrund steht das Angebot der Beschäftigungsplattform für Menschen, welche nicht im Arbeitsmarkt integriert sind. Motivierend für mich ist auch die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten auf freundschaftlicher Basis.»
Da der Betrieb zu 60–70 % mit eigenen Möglichkeiten und Kleinaufträgen generiert werden muss, ist eine professionell entlöhnte Leitung nicht tragbar. Dem Vorstand wird ein geringfügiges Entgelt gegeben, das sich am unteren Segment von Kommissionssitzungsgeldern orientiert. Zurzeit engagieren sich drei Personen im Vorstand für den Verein, Michael Büchler, Erich Schüpbach und Stephan Hauri, Gertrud Trittibach amtet als Sekretärin. In den Anfängen halfen vermehrt ehrenamtliche Personen im Pensionsalter mit bei der Betreuung. Dies steht nach wie vor auf der Wunschliste des Vereins für die Begleitung und Ermutigung der Teilnehmer.
Neuer Standort ab 2023
In der kommenden Zeit steht ein Umzug an, da sich die Anlage der alten Moschti auf vollgewerblichem Niveau bewegen will, wo das gleis2-sozialwerk nicht mithalten kann. Der Verein trifft bereits Abklärungen für einen neuen Standort. Der Umzug mit Innenausbau wird aber die Möglichkeiten der üblichen Erfolgsrechnung übersteigen, denn während des Ausbaus und Umzugs in die neuen Räumlichkeiten können keine Einnahmen generiert werden. Sobald Näheres bekannt wird, wird das Sozialwerk sein Anliegen an die Öffentlichkeit bringen und hofft auf breite Unterstützung aus der Gemeinde und Bevölkerung. Sein Ziel ist es, in Worb bleiben zu können.
Ein Betrieb mit besonderem Profil
Der Verein und das Beschäftigungsprogramm sind weder Selbstzweck noch Gewerbe im üblichen Sinn. Es ist auf die Teilnehmenden ausgerichtet, die ihm vom Sozialdienst zugewiesen werden. Jedes Betriebsjahr ist ein bewusst einzugehendes Risiko, da das Sozialwerk im Vorfeld weder Teilnehmeranzahl, tatsächliche Präsenzen der Teilnehmer noch Auftragsentwicklung kennt. Die Covid-Krise hat den Betrieb hart bedrängt, die Betriebsreserven wurden strapaziert, doch schliesslich konnte die Bilanz gehalten werden. Der Verein versteht sich als Übergangsgefäss mit dem Ziel, die Beschäftigten mit dem Gewerbe wieder vertraut zu machen und ihnen eine sinnvolle Erwerbsarbeit in den Betrieben zu ermöglichen. Leider sprechen deren Möglichkeiten nicht immer dafür. Stephan Hauri erklärt: «Deshalb hoffen wir auf das Wohlwollen und die Unterstützung aus der Bevölkerung, dem Gewerbe und der Gemeinde und darauf, dass einfache, terminflexible und für die Teilnehmer erfolgsträchtige Aufträge ausgeführt werden dürfen. Wir arbeiten eng mit dem Sozialdienst Worb zusammen und stehen in regelmässigem Austausch. Dafür sind wir sehr dankbar.» KS
gleis2-sozialwerk sucht:
Freiwillige für die Betreuung und Begleitung von Menschen mit Schwierigkeiten, möglichst in verbindlichem Rahmen, Gewerbe- und Landwirtschaftsbetriebe, die den Betroffenen Stellen anbieten, Neue Vereinsmitglieder
Infos auf: gleis2-sozialwerk.ch