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Oskar Läuffer (1881–1927): Worber Sekundarlehrer, SP-Nationalrat und Hauptmann der Schweizer Armee

Lehrerinnen und Lehrer sind selten Gegenstand von historischen Untersuchungen. Und doch haben viele Generationen von Kindern geprägt und für Jahrzehnte Spuren hinterlassen. Einer von ihnen ist der Sekundarlehrer Oskar Läuffer, der zwar nur acht Jahre in Worb tätig war, aber der Sekundarschule zu einem «modernen und zeitgemässen Unterricht» verhalf.

Oskar Läuffer, aus Zauggenried stammend, wurde am 5. Dezember 1881 als Sohn des Amtsweibels Friedrich in Fraubrunnen geboren. Er besuchte von 1897 bis 1900 das Seminar Hofwil bei Münchenbuchsee und liess sich zum Primarlehrer ausbilden. Er trat nach dem Seminarbesuch nicht direkt in den Lehrberuf ein, sondern studierte in den folgenden vier Jahren Sprachen (Französisch, Italienisch und Englisch) und Volkswirtschaft. Studienorte waren Bern, Neuenburg und Florenz. Der Tod des Vaters verhinderte jedoch seinen Plan, das Gymnasiallehrerdiplom zu erlangen. Schliesslich erwarb er das mit geringerem Zeitaufwand (und weniger Kosten) verbundene Sekundarlehrerdiplom und trat seine erste Stelle als Aushilfslehrer in Aarberg und am Technikum Burgdorf an. 1904 wurde er als Sekundarlehrer an die private Sekundarschule in Worb gewählt. Im gleichen Jahr heiratete er Rosa Grunder. Aus der Ehe gingen zwei Söhne (Rolf und Kurt) und eine Tochter (Leni) hervor.

Die Sekundarschule Worb wurde 1835 als Privatschule gegründet und war 20 Jahre lang eine Konkurrenz­institution zur staatlichen Primarschule. Der Zweck der Schule wurde in den Statuten festgehalten: «Die mit Talenten begabte Jugend zu künftiger Erlernung solcher Berufsarten zu befähigen, welche überhaupteine sorgfältigere Bildung und mehr Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern als der Primarunterricht in unsern Schulen zu geben vermag. Im Besonderen soll die Anstalt einen vorbereitenden Unterricht für künftige Geschäftsmänner und Handelsleute, rationelle Landwirthe, Künstler und Gelehrte bezwecken, und somit eine Übergangsklasse von den Primar- zu den Industrie- und Gelehrtenschulen bilden.» Entsprechend achtete man bei der Auswahl der Lehrpersonen, dass diese über Kenntnisse in Fächern besassen, welche diesem Zwecke dienlich waren. So unterrichtete Lehrer Läuffer neben Geschichte und Geografie auch Geometrie und Buchhaltung – alles Fächer, die es an der Primarschule zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch nicht gab.

Ob der damaligen Schulkommission, welche für die Anstellung der Lehrpersonen verantwortlich zeichnete, bekannt war, dass sich Oskar Läuffer auch politisch engagierte, ist nicht bekannt. Im Protokoll der Sitzung vom 11. August 1904 wird lediglich erwähnt, dass die Anstellung gestützt auf die vorliegenden Zeugnisse, «auf Erkundigungen bei Dritten» und auf positive Erkenntnisse des Schulkommissionspräsidenten, Pfarrer Ris, anlässlich eines Schulbesuchs in Aarberg erfolge. Läuffer trat in Worb jedenfalls gleichzeitig mit seinem Stellenantritt auch in die Sozialdemokratische Partei Worbs ein. Er sei deswegen vom «Bürgertum» angefeindet worden, berichtete später die sozialdemokratische Berner Tagwacht. Er engagierte sich in den folgenden Jahren unter anderem in der Genossenschaftsbewegung, so als Verwaltungsrat der Konsumgenossenschaft Bern und als Redaktor von dessen Organ «Der Konsument». Bald einmal wurde er Vertrauensmann der Emmentaler Arbeiterschaft. Das wiederum war vielen Hausvätern, welche ihre Kinder in die Sekundarschule schickten – darunter vielen Gewerbetreibenden – suspekt. In den Schulkommissions-protokollen wird mehrfach erwähnt, dass Mitglieder der Schulkommission auf die Tätigkeiten von Lehrer Läuffer angesprochen worden seien.

1907 schlug Lehrer Läuffer der Schulkommission vor, in Zukunft Englisch als Fremdsprache in den Fächerkanon aufzunehmen. Tatsächlich war die Sekundarschule Worb 1908 eine der ersten im Kanton, welche ihren Schülerinnen und Schülern das Erlernen einer zweiten Fremdsprache ermöglichte. Auch sonst engagierte sich Läuffer stark für einen modernen Schulunterricht. So wünschte er in den Schulkommissionssitzungen in den acht Jahren, in denen er in Worb tätig war, mehrfach den Wechsel von «althergebrachten, nicht mehr das aktuelle Wissen repräsentierenden» Schulbüchern zu solchen mit «modernem, zeitgemässem Inhalt». Die Schulkommission, welche damals – nicht nur aus Kostengründen – noch über die Einführung von Lehrmitteln zu befinden hatte, hiess seine Anträge jeweils gut. Sein Engagement im Militär – für Läuffer mussten wegen seinen militärischen Aus- und Weiterbildungen mehrfach Stellvertretungen eingesetzt werden – wurde von den Kommissionsmitgliedern trotz dem organisatorischen Mehraufwand wohlwollend kommentiert. Eine gewisse politische Radikalisierung – bis hin zur Militärdienstverweigerung – fand erst nach seiner Tätigkeit an der Sekundarschule Worb statt. 1912 erhielt Läuffer ein Angebot der Knabensekundarschule in Bern, wo er bis zu seinem frühen Tod lehrte.  

Hauptmann Oskar Läuffer verweigert den Militärdienst
Der Landesstreik vom November 1918 bedeutete eine Zäsur im Leben des 37-jährigen SP-Politikers und Sekundarlehrers. In seinen jungen Jahren liess er sich zum Offizier ausbilden. Das war damals nicht unüblich. Die Schweizer Armee war anfänglich bei der Linken wohl gelitten. Sie galt weit über die Schweizer Grenzen hinaus als Vorbild für die Bürgerarmee eines republikanischen und demokratischen Staates: Sie war kein stehendes Heer und bildete keinen Staat im Staat. Sie hatte auch keinen imperialistischen Zielen zu dienen. Die Offiziersstellen waren nicht dem Adel oder Grossbürgertum vorbehalten; alle Bürger hatten die Möglichkeit in Führungspositionen aufzusteigen. Es galt die allgemeine Dienstpflicht. Die Bürgersoldaten leisteten ihren Milizdienst in regelmässigen Wiederholungskursen neben ihren normalen beruflichen Tätigkeiten. So stellte etwa der französische Sozialistenführer und Pazifist Jean Jaurès in seinem Werk «L’armée nouvelle» von 1911 die Schweizer Armee als Modell dem französischen Militarismus entgegen.

Schon vor dem Krieg begann sich aber die organisierte Arbeiterschaft zu radikalisieren. Jüngere Sozialistenführer schwenkten auf eine marxistische und klassenkämpferische Linie ein, die sich im Ersten Weltkrieg akzentuierte. Gemässigte Genossen, wie etwa der «Arbeiter-Patriarch» Hermann Greulich, verloren an Einfluss. Die zermürbende Kriegszeit, die wirtschaftliche Not, die Versorgungsschwierigkeiten, welche vor allem die Arbeiterschaft traf, und die ununterbrochene Herrschaft des Freisinns, der nicht gewillt war, die Macht mit anderen gesellschaftlichen Gruppen zu teilen, gaben den radikalen Kräften Auftrieb. Sie beschimpften die Armee als bourgeoise Klassenarmee und skandalisierten tatsächliche oder vermeintliche Missstände bei der Truppe. Im Februar 1918 bildete sich unter dem damals linksradikalen Robert Grimm das Oltener Komitee, das am 11. November 1918 den Landesstreik ausrief und in seiner Proklamation die Wehrmänner aufrief, in allen Einheiten Soldatenräte zu bilden und den Einsatz gegen die Streikenden zu verweigern. Der Bundesrat und die meisten Kantonsregierungen reagierten mit umfangreichen Truppenaufgeboten «zum Dienste des Vaterlands gegen den Bolschewismus».

Damit gerieten sozialdemokratisch oder gewerkschaftlich organisierte Wehrmänner aller Grade in einen Gewissenskonflikt. Dies umso mehr, wenn es sich um Offiziere wie Oskar Läuffer handelte. Dieser war Kommandant der Tessiner Gebirgsinfanteriekompanie IV/94 (cp fant mont IV/94). Er war wegen seiner Sprachkenntnisse, die er sich während eines Studiensprachaufenthalts in Florenz erworben hatte, an die Spitze einer italienischsprachigen Einheit gestellt worden. Möglicherweise hat aber auch die politische Gesinnung seine Berner Vorgesetzten veranlasst, ihn militärisch in die Südschweiz abzuschieben. 

Das Tessiner Gebirgsinfanterieregiment 30, in dem Läuffer eingeteilt war, mobilisierte während des Landesstreiks unter chaotischen Verhältnissen im Raum Bellinzona, da das Bahnpersonal bereits streikte. Es war für den Einsatz in Zürich, im Zentrum der Streikbewegung, vorgesehen. Da nur noch vereinzelt Züge durch den Gotthard fuhren, verzögerte sich der Transport der Tessiner Bataillone in den Einsatzraum. Schliesslich gelang es, diese in den Kanton Zug zu verschieben. Die Kompanie Läuffers kam nach Baar, aber ohne ihren Kommandanten. Dieser war nämlich schon gar nicht ins Tessin eingerückt. Er tauchte erst gegen Ende des Streiks in Zug auf und wurde gleich auf dem Bahnhof verhaftet, was bei den Tessiner Truppen, aber auch in der Zuger Öffentlichkeit grosses Aufsehen erregte. Er wurde später von der Militärjustiz in Bellinzona wegen verspätetem Einrücken und Dienstverweigerung zu drei Monaten Haft verurteilt, seines Kommandos enthoben und zur Disposition gestellt, das heisst praktisch aus der Armee ausgeschlossen. Die Arbeiterpresse lobte ihn, dass er seinen sozialistischen Idealen treu geblieben sei und sich nicht «für die Zwecke der Bourgeoisie» einsetzen liess.

Nationalrat und Sekundarlehrer in Bern
Mit dem Wechsel seiner pädagogischen Tätigkeit von der landwirtschaftlich-gewerblich geprägten Gemeinde Worb nach Bern mit seiner gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft verstärkte sich auch seine politische Tätigkeit in verschiedenen Parteigremien, im VPOD und in öffentlichen Ämtern. Zwischen 1918 und 1927 war Läuffer Mitglied der SP-Fraktion im Stadtrat, 1924 dessen Präsident. Er vertrat die SP in Schulkommissionen sowie in der städtischen Vormundschaftskommission. Er war ein Förderer des Sports, den er selber betrieb und engagierte sich bei der Schreinergenossenschaft Bern und Umgebung. Am 20. September 1920 rückte Oskar Läuffer auf der SP-Liste nach dem Tod von Emil Düby in den Nationalrat nach. In diesem Gremium fühlte er sich allerdings nicht wohl; und so verzichtete er 1922 auf eine erneute Kandidatur. Aber bereits am 21. September 1925 rückte er erneut nach, demissionierte aber schon nach nicht einmal drei Monaten am 6. Dezember 1925. Er starb am 28. März 1927 erst 45-jährig in Bern an einer Blutvergiftung. MARIUS GRÄNICHER, MARCO JORIO

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In die Zeit der Lehrtätigkeit von Oskar Läuffer fiel der Wechsel vom alten Sekundarschulhaus beim heutigen Standort des Altersheims zum neuen Sekundarschulhaus im Zentrum. Der Bauplatz für die neue Sekundarschule (das alte Schulhaus wurde von der wachsenden Primarschule beansprucht) wurde der Sekundarschule respektive der Gemeinde von Gottfried Egger kostenlos für diesen Zweck zur Verfügung gestellt. 

Mitglieder der Sekundarschulkommission Worb, Periode 1904–1910
Pfarrer Emanuel Gottlieb Ris, Worb, Präsident
Nationalrat Fritz Zumstein, Enggistein, Vizepräsident
Gemeindeschreiber Gottfried Zurbuchen, Worb, Kassier
Notar Adolf Gammeter, Worb
Friedrich Bernhard, Worb
Gottlieb Bigler, Vielbringen
Gottlieb Bigler, Ried
Riesen, Maurermeister, Worb
Gfeller-Schwarz, Richigen
Die ersten fünf Mitglieder wurden vom Regierungsrat, die letzten vier vom Gemeinderat gewählt.
Anwesend bei den monatlichen Sitzungen waren auch die vier Lehrer der Sekundarschule, wobei der eine jeweils das Protokoll verfasste. Die Sitzungen wurden in der Regel am Sonntagnachmittag nach der Predigt im Pfarrhaus abgehalten.

Worber Köpfe
Die IG Worber Geschichte porträtiert seit 2018 in einer losen Serie bekannte und (noch) unbekannte Einzelpersonen und Familien aus Worb, welche Geschichte geschrieben haben.

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