«Turbodigitalisierung» in Worb

Die Digitalisierung ist im Trend, auch in der Schule, auch in Worb. In allen Schulvorlagen wird das hohe Lob des digitalisierten Lernens gesungen, so etwa jüngsthin beim Kauf von persönlichen Geräten für die Schülerinnen und Schüler, der immerhin in die Hunderttausende geht. In Gesprächen mit manchen Lehrerinnen und vor allem Lehrern bricht beim Thema geradezu Euphorie aus. Als überzeugter Leser und Produzent von gedruckten Büchern ist mir diese naive IT-Gläubigkeit geradezu unheimlich. Vor allem ist mir aufgefallen, dass die digitalisierte Generation Mühe hat, Zusammenhänge zwischen den zersplitterten Wissensfragmenten, die sie aus dem Internet fischen, herzustellen. Das Wissen zwischen zwei Buchdeckeln eignet sich gerade für das Gegenteil: die in sich kohärente Gesamtdarstellung eines Gegenstandes. 

Vor wenigen Tagen ist nun in der NZZ ein beachtenswerter Artikel von Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, erschienen: «Turbodigitalisierung an den Schulen – ein Unheil». Der deutsche Erziehungswissenschaftler geisselt die «naive Digitalisierungswelle», die vor allem seit der Pandemie auf Hochtouren läuft. Forschungen hätten ergeben, dass die Lernerfolge nicht verbessert würden, sondern im Gegenteil gingen die Lernleistungen beim Lesen, Rechnen und Schreiben zurück. Zudem würden bei der voll digitalisierten Jugend «vor flimmernden Kisten» vermehrt gesundheitliche (z.B. Kurzsichtigkeit, Fettleibigkeit, Strahlen) sowie psychische Schäden (Essstörungen, Online-Spielsucht) festgestellt. Leider würden kritische Stimmen zur Digitalisierung in der Schule wie bei vielen anderen technischen Neuerungen weggewischt, so etwa bei gefährlichen Baustoffen (asbesthaltiger Eternit) oder gesundheitsschädlichen Medikamenten.

Insbesondere stellt Prof. Zierer fest, dass die Digitalisierung schon seit langer Zeit ein bekanntes Nachhaltigkeitsproblem habe: «Aber es ist bereits sichtbar, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit (noch) nicht zusammenpassen.» Dabei rückt er vor allem den enormen Ressourcenbedarf (Rohstoffe, elektrische Energie) in den Vordergrund. «Allein dieser Energieaufwand ist immens … und hat im Hinblick auf die Lernleistungen… nichts Gutes» gebracht. Der Appell ist deutlich: «Bei der weiteren Digitalisierung des Bildungssystems ist auch auf die skizzierten Schattenseiten der Digitalisierung einzugehen.»

Diese kritische Haltung gegenüber der ungehemmten Digitalisierung täte auch den Worber Schulen und der auf der digitalen Euphorie surfenden Politik gut. Vielleicht wäre es angezeigt, dass die Kulturleistung des Bücherlesens wieder vermehrt gepflegt wird. Das Bildungsniveau könnte nur gewinnen.

Jorio Marco

Marco Jorio,
Mitglied GGR

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