Vor beinahe 50 Jahren zog ich mit meiner Frau nach Brasilien, wo ich fünf Jahre an einer Schweizer Schule unterrichtete. Früh kauften wir uns ein Camper-Bössli, um das Land zu erkunden. Schnell haben wir die Reisen auf die umliegenden Länder ausgeweitet. Die Strasse wurde unser Begleiter, die Natur zeitweise unser Zuhause. 1977 waren wir zu zweit nach Brasilien ausgewandert – 1982 kehrten wir zu viert in die Schweiz zurück, mit zwöi Büäbä im Gepäck.
Zurück in der Heimat rückte das Campen in den Hintergrund. Die Kinder, der Alltag, Haus und Garten – das Leben spielte sich in festeren Strukturen ab. Ein altes Zelt hatten wir zwar, doch als uns ein Sturm fast die ganze Konstruktion zerlegte, beschlossen wir: Vielleicht doch lieber Ferienwohnungen.
Der zweite Camper kam dann durch unseren Sohn ins Spiel. Er wollte sich nach seiner Ausbildung einen trendigen VW-Bus kaufen, doch das Budget reichte nicht. Dann fand er diesen Ford Transit. Er nutzte unser altes Camping-Interesse geschickt: Wir zahlten mit, dafür durften wir den Bus mitnutzen.
Unser Sohn hatte nur dieses eine Auto – irgendwann brauchte er ein alltagstauglicheres. Was also tun mit dem Ford Transit? Meine Frau und ich übernahmen ihn, und ohne es zu wissen, hielten wir den Schlüssel zu künftigen Abenteuern in den Händen.
So richtig begann unser Camperleben dann 2008, nach meiner Pensionierung. Unsere erste grosse Reise führte uns nach Irland und Schottland – zehn Wochen unterwegs. Sonne, Nebel, Grün und Grau. Wir merkten: Das ist es.
Seitdem haben wir viele Reisen gemacht. Norwegen bleibt eine unserer schönsten Erinnerungen. Die Fjorde, die Hurtigruten, die Lofoten und dann diese Weite der schneebedeckten Hochebenen. Campen ist weniger Reisen und mehr Leben. Wenn der Regen auf das Dach des Campers rieselt – das isch Musig.
Natürlich gab es auch weniger idyllische Erlebnisse. In Kroatien erwischte uns die Bora, ein heftiger Wind, der vom Landesinneren aufs Meer hinausfegt. Wir waren mit den Velos unterwegs und hatten unsere Sonnenstore ausgefahren. Als wir zurückkamen, lag sie in Fetzen. Apropos Velos: Diese sind immer dabei. Mit ihnen unternehmen wir so oft wie möglich Ausflüge vom Campingplatz aus.
Ein anderes Erlebnis war in Argentinien. Damals waren viele Strassen noch Naturwege, und wir wurden gewarnt: Wenn ein Stein hochgeschleudert wird, ist die Windschutzscheibe hin und ein rascher Ersatz unmöglich. Also spannten wir ein engmaschiges Gitter davor. Das Problem? Stundenlang durch ein Gitter zu starren, ist anstrengend. Als wir abends ankamen, fühlte sich der Kopf an, als hätte er selbst eine Offroad-Tour hinter sich.
Das Campen hat sich verändert. Früher konnte man einfach losfahren – heute muss man viele Plätze sogar in der Nebensaison reservieren. Diese Freiheit, die das Campen ausmacht, ist nicht mehr selbstverständlich. Auch die Campingplätze haben sich gewandelt. Früher begegnete man vor allem Holländern und Deutschen, heute ist ganz Europa unterwegs.
Für uns bedeutet Campen Einfachheit, keine Luxuscampingplätze, kein Fernseher im Camper. Wir schmunzeln, wenn das Erste, was viele Camper machen, das Ausrichten der Satellitenschüssel ist – noch bevor sie Stühle oder Tische aufstellen.
Ich war noch nie allein campen. Immer mit meiner Frau. Seit über 50 Jahren sind wir verheiratet, und auf unseren Campingreisen haben wir wohl die wenigsten Dispute überhaupt. Wir sind ein Team, ein Camping-Team. Wir ergänzen uns perfekt, müssen und können uns aufeinander verlassen.
Eigentlich schlafen wir beide nirgendwo so gut wie im 1,20 Meter breiten Bett im Camper. Man erlebt so viel zusammen, teilt jeden Moment, jeden Aus- und Augenblick.
Ein Ziel, das wir unbedingt noch einmal anfahren möchten, ist Griechenland. Bereits die Anfahrt mit der Fähre übers Wasser, dann die grossartigen Zeugnisse der alten Griechen – eine Reise, die wir noch einmal erleben möchten.
Ich fühle mich generell wohl am Wasser. Vielleicht liegt es an meinem Sternzeichen – ich bin Fisch. Es ist das Rauschen des Meeres, das Plätschern eines Baches, das sanfte Strömen eines Flusses. Wasser bedeutet Weite. Freiheit. De bi ig happy!
Aufgezeichnet von
MARTIN FONTANELLAZ