«Als Wegmeister in Worb spiele ich in Haupt- und Nebenrollen. Letztere dann, wenn Strassenbauer, Landschaftsgärtner oder der Strassenmeister – mein Chef im Werkhof – wichtig sind. Bin ich allein mit der Kehrmaschine unterwegs, trage ich die Hauptrolle, säubere Strassen, lese tote Tiere auf, melde Ölspuren, leere volle Robidog-Kübel. In diesem Bereich fühle ich mich effektiv als Meister, denn man muss auf sehr vieles achten, auch auf Inputs aus der Bevölkerung. Dank einem Hinweis konnte ich in Rüfenacht mit einem neuen Kübel zu einer guten Lösung beitragen. Unter dem Strich muss man als Wegmeister mit Menschen noch besser umgehen können als mit Maschinen.
Für meine Tätigkeit bei der Gemeinde brachte ich eine landwirtschaftliche Ausbildung mit, vorher arbeitete ich als Chauffeur. Mal etwas anderes machen, sagte ich mir dort und bewarb mich als Wegmeister. Und seit fast 25 Jahren mache ich nebenberuflich noch was Zweites, spiele bei Theatern, Spiel- und Werbefilmen mit. Je nachdem bin ich Statist oder habe kleinere oder grössere Sprechrollen inne, eine Castingfirma hat ein Karteikärtchen mit allen Angaben zu mir.
Für meinen ersten Einsatz, in einer Theaterversion des bekannten Films ‹Harold and Maude›, wurde ich vom Regisseur spontan in einer Beiz angesprochen. In der Rolle als Friedhofsgärtner passierte mir gleich der grösste Lapsus, indem ich in einer Szene meinen Text vergass. Eine Schauspielerin neben mir rettete mich, ergriff spontan das Wort und half mir gleichzeitig auf die Sprünge – das Publikum hätte es nicht bemerkt. Genau für solche Situationen besuchte ich einen Kurs zum Thema Improvisation auf der Bühne, seitdem wähne ich mich auf der sicheren Seite.
Die Figuren, die ich bis jetzt darstellte, zeigten mich mehrheitlich als stimmkräftigen Mann mit freundlichem Gesichtsausdruck und natürlicher Autorität. Einzig in einer Folge der TV-Serie ‹Der Bestatter› spielte ich einen Volksaufwiegler, mit einer Sense bewaffnet. Die Requisiten musste man selbst mitnehmen und so stieg ich in Worb mit einer Sense in die S-Bahn. Mein Aufwand für selbst kurze Auftritte ist nie zu unterschätzen. Die Aufnahmen für einen Werbefilm in Zürich, wo ich einen Trampolinspringer spielte, wurden um 3 Uhr morgens beendet, für einen anderen Werbefilm musste ich, als Maschinist, um 5 Uhr morgens auf einem Dampfschiff in Luzern erscheinen.
Seit vielen Jahren bin ich für das Stadttheater Bern im Einsatz, momentan beim Stück ‹La Cage aux Folles›. Es geht dort um die Liebe zwischen zwei Männern, ein kreuzfideles Musical mit ernstem Hintergrund, das zum Denken anregt. Im Stück habe ich eine kleine Sprechrolle als Fischverkäufer, dazu spiele ich einen Gefängniswärter, einen Fotografen und einen Restaurantgast. Ziemliche Hektik im Ankleideraum, in einer Szene tanze ich auch mit, ich musste zuerst unter dreissig Bewerbern vortanzen. Fischverkäufer war ich übrigens bereits auf dem Bärenplatz in Worb mit dem Theaterstück ‹Klassezämekunft› – in der Filmversion hatte Matthias Gnädinger diese Rolle inne. Mit meinem Bart, scheine ich irgendwie der Figur eines Fischverkäufers zu entsprechen.
Bevor ich mich auf einen Aufruf hin als Darsteller melde, schaue ich immer die Beschreibung des Stückes an. Besonders wählerisch bin ich nicht. Allerdings hätte ich ein Problem, einen Mörder zu spielen, wogegen ich mich problemlos als Wasserleiche zur Verfügung stellen würde. In einem Kirchenspiel in Worb spielte ich den Petrus – eine grössere Rolle, die mir noch so lag, zuhause musste ich einfach acht Seiten Text auswendig lernen.
Daheim theäterlen: In der Regel kann ich gut unterscheiden, was wo hingehört. Na ja, meistens. Hie und da lasse ich, frühmorgens, ein hochdeutsches und gutgelauntes ‹Guten Morgen!› in unserer Wohnung erklingen, wo meine beiden Töchter dann nicht nur mit Jubel reagieren. Aber meine Familie unterstützt mich, auch mit dem Abhören von längeren Texten, die ich ihnen vorspreche.
Für den Sommer habe ich eine Anfrage für einen Werbefilm der SBB. Als was sie mich brauchen, weiss ich noch nicht, und auch die Rollen für die neuen Stücke bei den Bühnen Bern werden erst später bekannt. Was sicher ist: Das Stadttheater ist ein cooles Haus. I wett dert wytermache.»
Aufgezeichnet von
Bernhard Engler