Manchmal denke ich, ich sei mit einem Ball am Fuss geboren. Sit ig cha dänke, dribbli dür z Läbe. In manchen Lebensphasen habe ich mir den Ball weit vorgelegt, dann wieder enger am Fuss geführt.
Ich habe immer mit meinem älteren Bruder gekickt. Er wollte sich an einem Nachmittag bei einem Fussball-Schnuppernachmittag von YB anmelden. Da war ich natürlich mit dabei! Das Problem: Die Trainings waren nur für Buben. Also ging ich mit meinen kurzgeschnittenen Haaren hin und nannte mich Andreas Berz (mein zweiter Vorname ist Andrea). Niemand merkte etwas. Ausser vielleicht, dass ich nicht ganz ungeschickt mit dem Ball war. Ich wurde tatsächlich angefragt, für den Club zu spielen. Aber ich hatte ja gelogen, wollte eigentlich nur einen Nachmittag lang Fussball spielen. Ich erfand eine Ausrede, sagte ab, und niemand erfuhr je, warum.
Fussball schien für Mädchen damals kein Weg zu sein. Ich kannte keinen Verein, in dem auch Mädchen spielten. Vor unserem Haus wurde jedoch Landhockey gespielt. Ich begann dort, blieb viele Jahre. Wir spielten in der höchsten Liga, und es machte richtig Spass. Fussball? War plötzlich weiter weg.
Bis zu einem Trainingslager. An einem Tag spielten wir auch Fussball. Unsre Torhüterin kam auf mich zu, fragte, ob ich Fussball spiele. Ich verneinte. Sie meinte, ich solle mal vorbeikommen. Sie spiele beim DFC Bern. Damals hatte Bern 3 Frauenteams, eines in der höchsten Liga. Ich wollte jedoch nur bei der dritten Mannschaft mitkicken, neben dem Landhockey.
Ich war 17, als ich beim DFC Bern anfing. 2 Jahre später durfte ich mit der ersten Mannschaft mit an den Schweizer Cupfinal im Tessin, und wir gewannen. Dr Fuessbau het mi wider. 5, 6 Jahre spielte ich beides parallel, dann gewann der Fussball.
Ich war eine Innenverteidigerin mit gutem Stellungsspiel, stark im Kopfball, bekannt für den langen Ball. Damals zählte vor allem, wie gut man sich im Team verstand. Niemand wechselte leichtfertig, Ausland war kein Thema.
Einmal spielte ich im Neufeld, Bidu Zaugg war unter den Zuschauern. Nach dem Spiel sprach er mich an: «Spielst du eigentlich in der Nati?» Ich verneinte. Kurz darauf wurde ich aufgeboten. Von 1996 bis 2002 spielte ich für die Schweiz.
Unvergessen bleibt das Länderspiel in England. Die Veranstalter hatten die Schweizer Hymne nicht gefunden. Also wurde uns ein Mikrofon vors Gesicht gehalten: Bitte selber singen. Ein anderer Moment war das Spiel gegen Norwegen in Interlaken. Ihre Stürmerinnen waren riesig. Ich und meine Abwehrpartnerin haben gefühlt 100 Kopfbälle geklärt. Danach ging̓s an ein Country-Festival. Mein Kopf pumpte, als wär er noch auf dem Platz.
Wenn ich an das Nationalteam denke, dann nicht primär an Tore oder Siege. Sondern an die Carfahrten, an die Musik in den Kopfhörern. Manche nannten sie Einschlafmusik. Heute höre ich die Stücke und sitze wieder im Car.
2001 wurde ich zur Schweizer Spielerin des Jahres gewählt, mit Krücke. Ich hatte mir kurz zuvor das Kreuzband gerissen. Ich hätte gerade das Nationalteam als Kapitänin übernehmen sollen. Ich spürte beim Training ein Klicken, der Arzt sprach erst vom Innenband. Wochen später: doch Kreuzbandriss. Ich kämpfte mich zurück ins Team. 2003 folgte der zweite Riss. Auch daraus bin ich zurückgekommen, spielte weitere Jahre in der höchsten Liga. Ich arbeitete 80 Prozent neben dem Sport. Die Nationalteam-Zusammenzüge kosteten mich meine Ferien. Aber ich wollte das so. Ich bereue nichts.
2009/2010 war meine letzte Saison bei YB. Rund 20 Jahre lang war Fussball meine Nummer 1, dann unser Sohn. 10 Jahre war ich weg vom Platz. Jetzt spiele ich wieder. Drittliga, bei den Femina Kickers Worb. Klar, ich bin langsamer. Aber mein Stellungsspiel ist noch da.
Ich lebe den Fussball auch abseits des Platzes. War Assistenztrainerin bei YB, als Lia Wälti noch dort spielte. Heute bin ich Spielerin und Sportchefin bei den Femina Kickers. Darüber hinaus bin ich Fan. Ich freue mich auf die UEFA Womens̓s Euro im Juli in der Schweiz. Bi üs! Das wird ein begeisterndes Event. Ich werde wenn möglich im Stadion und ou dert ganz nach am Bau sy.
Aufgezeichnet von
MARTIN FONTANELLAZ