«Privat bin ich oft mit unserem Hund unterwegs, bewege mich zudem bei Gartenarbeiten, gehe auf die Jagd oder in die Berge wandern. Beruflich bin ich Braumeister bei Egger in Worb, einen Bierbauch habe ich übrigens nicht. Und meine Kollegen? Weniger als me dänkt.
Mein erstes Bier trank ich vor meiner Lehre, mein Vater gab mir zum Probieren. Hat mir überhaupt nicht geschmeckt. Aufs Bier gekommen bin ich, als mir eine Lehrstelle als Detailhandelsangestellter zugesichert wurde. Wir mussten von der Schule aus noch zusätzliche Schnuppertage machen, und durch eine Bekanntschaft landete ich in der Felsenau-Brauerei. Am Ende der Woche wusste ich, was ich jetzt wollte, und konnte dort meine Bierbrauer-Lehre beginnen. Es waren die chemischen und mikrobiologischen Prozesse, die mich faszinierten. Heute dünkt mich alles spannend, also bis hintenhinaus zur Frage, welches Bier für welche Anlässe am geeignetsten ist.
Meine Weiterbildung zum Brau- und Malzmeister machte ich in München. Sie dauerte zwei Semester und es war zum grössten Teil eine theoretische Schulung, denn die Praxis setzte man beim Aufnahmeverfahren voraus. Mir si gschluuchet worde. Ein ganz anderes Kapitel war mein anschliessender Aufenthalt in der Karibik, in Guadeloupe, wo ein Kollege von mir einen Nachfolger für seine Bierbrauerei suchte. Dort musste ich mich dann an die Mentalität der Menschen anpassen. Nein, ich durfte mich anpassen. Nimms légère. Nid verruckt wärde, we öppis nid klappet. Was sagte man mir, wenn man zu spät erschien? ‚Bitte, ich bin ja jetzt da‘. Die Herausforderung lag nicht in einer mangelnden Infrastruktur unserer kleinen Fabrik, sondern hatte mit der Zuverlässigkeit von Lieferanten und Abnehmern zu tun.
Wegen der Hitze trank ich dort vor allem viel Wasser und daneben karibisches Lagerbier, wogegen die Einheimischen dem Ti-Punch fröhnten. ‚Ti‘ als Abkürzung für ‹Petit›, und das Rezept: Man nehme den Schnitz einer Limette, eine Löffelspitze Rohrzucker und giesst weissen Rum dazu. Dessen Menge je nach Belieben, also wird das Getränk am Schluss eher grösser als ‹petit›. Ich verbrachte dort zwei prächtige Jahre und wäre noch länger geblieben, wenn nicht Corona gekommen wäre. Fast fluchtartig verliessen wir mit einer der letzten Flugmöglichkeiten die Insel, man holte mich in Basel ab und auf der Autobahn waren wir praktisch die Einzigen – eine Geisterfahrt am hellen Nachmittag, weil der Bundesrat zum Daheimbleiben aufrief.
Nachdem ich schon früher mal bei Egger arbeitete, bin ich jetzt in der Firma zurück. Bald ist Oktober und beim Bierkonsum kommt es jetzt darauf an, ob es einen milden, schönen Herbst gibt. Bei den Brauereien hört das Geschäftsjahr Ende September auf und sicher blicken wir auf ein gutes Jahr zurück. Die BEA, die Bümplizer-Chilbi, das Mirchel-Fest, das Dreschfest in Rüfenacht oder das Pop-up Barbara beim Worbboden brauchten viel Bier, und auch wenn man an die Hornusser-Vereine denkt … Wobei es für Biertrinken auch zu heiss sein kann, die optimale Temperatur für ‹Bierwetter› wäre 25 bis 30 Grad.
Die durchschnittliche Biertemperatur bewegt sich bei 5 bis 7 Grad, bei einzelnen Sorten schwankt der Pegel zwischen 3 und 12 Grad. Für Biersorten gibt es in der Schweiz oder in Belgien übrigens keine Grenzen, wogegen das deutsche Reinheitsgebot ein Bier mit dem Zusatz Ingwer nicht mehr als Bier deklariert. Ich persönlich würde es eher vermeiden, ein Bier mit Koriander zu brauen, obschon früher die Mönche dieses Gewürz beim Bierbrauen eingesetzt haben. Ein spezielles italienisches Bier mit Meersalz, das mir Freunde aus ihren Ferien mitgebracht haben, finde ich dagegen den Wahnsinn.
Obschon in unserer Brauerei in Worb die Nachfrage nach dem hellen Lagerbier oder dem Maximus dominiert, habe ich Freude am breiten Sortiment, und speziell am Weizenbier ‹LaBelle›. Daheim in meinem Keller habe ich gut vier bis fünf Biere aus unserer Brauerei, dazu zwei bis drei Fremdbiere. Der Boom mit all den Mikrobrauereien dauert nun schon ein paar Jahre an, allerdings glaube ich, dass der Peak erreicht ist. Es funktioniert, solange man es zur Freude macht, aber wenn man dann davon leben muss, wirds mit den Produktionskosten schwierig.
Selbstverständlich hatte ich in jungen Jahren auch schon ‹eins über den Durst getrunken›, aber ich lernte den Umgang mit Bier relativ schnell. Wo in meinem Fall die kritische Menge liegt, kann ich nicht sagen – beim Biertrinken würde ich sicher nicht der Erste und auch nicht der Zweite sein, der unter den Tisch fällt. Aber betrunken sein, das habe ich gar nicht gern. Als Braumeister trinke ich natürlich mehr Bier als der Durchschnittsschweizer. Wieviel es genau ist, weiss ich aber nicht. Äuä wine solide Tschech.»
Aufgezeichnet von
Bernhard Engler