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Vis-à-vis mit Alice Baumann, Sinnes-Mensch

«Mein E-Bike oder das Tram 6 bringt mich aus Bern in die vielfältige Welt von Worb und darüber hinaus. Worb liegt ungefähr in der Hälfte meines spannenden Arbeitswegs. Von Worb Dorf führt mein Weg steil nach Walkringen ins Rüttihubelbad hinauf. Diese Strecke ist bei fast jedem Wetter ein Genuss: Der Tag erwacht über den Berner Alpen und ich mit ihm.

Ich leite das Sensorium, ein Erfahrungsfeld für die Sinne. Es geht um Sehen, Hören, Riechen, Tasten, Schmecken. Noch bevor ich meinen Arbeitsort erreiche, fallen mir in Worb die vielen jungen Leute auf, ihr Aussehen, ihre Herkunft. Sie stammen aus allen möglichen Kulturen und Ländern und wenn sie miteinander sprechen, kommt nach dem Sehen mein Hörsinn auf seine Kosten. Gemeinsam verfügen diese Jugendlichen über eine eigene Sprache, einen Mix aus Mundart, Hochdeutsch und Slang; eine Art Worber-Esperanto.

Während ich von Frühling bis Herbst mit einem schnellen E-Bike durch Worb fahre, mache ich die Reise durch Worb im Winterhalbjahr mit ÖV. Dabei fällt mir regelmässig auf, wie freundlich die Postautochauffeure sind. In ihrem Blick ist eine Offenheit zu erkennen, die ich als Einladung in einen guten Tag verstehe. Diese Lebensfreude passt aus meiner Sicht sehr gut zu Worb, daher finde ich auch den berühmten Sketch vom ‹Blauen Bähnli› lustig, der Worbs Humor zeigt.

Der Mensch verfügt über fünf Sinne, oft spricht man auch von sieben oder sogar von zwölf. Bei mir ist das Sehen am ausgeprägtesten, nicht sehen zu können, wäre für mich das Schlimmste. Eigentlich wäre ich eine gute Innenarchitektin geworden, doch da ich viel besser schreiben als rechnen kann, wurde ich Journalistin und merkte dann bei meiner mehrjährigen Arbeit für das Radio, dass ich mehr der visuelle als der auditive Typ bin, dass ich also lieber mit Schreiben und Fotografie als mit Tönen zu tun habe. Durch die Hintertür trat bei mir ein sogenannt siebter Sinn in mein Leben: Ich kann Menschen energetisch wahrnehmen und habe ein Gespür für Entwicklungen, die noch nicht offensichtlich eingetroffen sind. Mein Partner, vom Wesen her ein kritischer Verstandesmensch, fragt mich in gewissen Situationen jeweils: U was meint mini Häx derzue?

Zurück zu Worb: Mit diesem Ort verbinden mich viele schöne Erinnerungen. Ich lernte schon vor vielen Jahren das Bier der Brauerei, die Konzerte im Bären und das Pop-up-Restaurant Eisblume schätzen, und in einem Velogeschäft kaufte ich Bikes für mich und einen unserer Söhne. Vor zwei Jahren schenkte ich meines einer jungen Frau aus der Ukraine, die damit an die Uni Bern fahren wollte. Nach einem halben Jahr brachte sie es mir zurück und gestand, sie schaffe es nicht, velofahren zu lernen. Dass jemand nicht velofahren kann, ist mir fremd: Ich raste schon als Dreijährige auf zwei Rädern durch die Gegend – natürlich ohne Stützen.

In Worb und Umgebung hat es noch viele Handwerker. Im Sensorium, in dem wir zurzeit grad eine Werkstatt sowie zwei neue Ausstellungsbereiche um- und aufbauen, sind wir auf gute Handwerker angewiesen. Sie sind äusserst engagiert und liefern gute Qualität. Das ist leider heutzutage keine Selbstverständlichkeit. Ich würde sie daher jederzeit auch für mein Haus in Bern engagieren.

In den Werkstätten des Rüttihubelbad beschäftigen wir auch Profis – wir nennen sie begleitete Profis. Das sind junge und reifere Menschen, die ein psychisches oder physisches Handicap haben. Unterschätze sie nie – ihre Sinne sind äusserst wach! Als ich kürzlich durch den Lichthof schritt, bemerkte ein junger begleiteter Profi, dass ich heute besser, nämlich Ton in Ton, angezogen sei als gestern. Am Tag davor hatte ihm bei meiner Kleidung eine Kombination zwischen einem Violett- und einem Grünton nicht gefallen. Die meisten der begleiteten Profis sind sehr kommunikativ: Wenn ich ihnen auf meinem Arbeitsweg zuhöre, habe ich auch bei ihnen das Gefühl, dass sie ihre besonderen Schwingungen in eine eigene Sprache verpacken.

Das Sensorium ist ein Planet für sich: Pro Jahr empfangen wir 56 000 Besucherinnen und Besucher. Die meisten fahren durch Worb zu uns hinauf. Am 20. März eröffnen wir unsere Sonderausstellung mit neuen, verblüffenden Kugelspielen und noch mehr visuellen Experimenten zum Thema ‹Leben ist Schwingung› – sie alle wecken dein inneres Kind. Anstatt mehr zu beschreiben, sage ich als Augenmensch am besten: Göht sälber ga luege!»

Aufgezeichnet von 
Bernhard Engler

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