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Vis-à-vis mit Hansjörg Hasler, Kuba-Hänu

«Pünktlichkeit in Kuba ist so eine Sache. Hier ist eigentlich niemand pünktlich. Eine Stunde liegt bei mir im Toleranzbereich, allerdings gibt es Termine, wo ich den Leuten sage: ‹Ihr müsst wirklich pünktlich da sein.› Dann beträgt die Verspätung meistens nur eine Viertelstunde. Mit däm muesch läbe.

Ich führe einen kleinen Kiosk, zusätzlich vermiete ich mein Auto inklusive Chauffeur, der mir für seine Fahrten dann das Geld abliefert. Die Autovermietung rentiert eindeutig mehr als mein Kiosk. Wenn ich mit der Distanz von Bern nach Worb vergleiche, nehme ich für eine solche Fahrt in Kuba zwanzig Franken ein. Sehr teuer. Kuba ist generell nicht ganz billig, und das meiste eh Verhandlungssache. Mein Kiosk ist 24 Stunden offen, mit je einem Mitarbeiter für zwei Schichten. Zu diesem Zeitpunkt gehe ich zum Kiosk, zähle die Einnahmen, bei jedem Schichtwechsel findet ein Inventar statt, jeder Chätschgummi wird notiert. Wenn etwas fehlt, müssen meine Angestellten es bezahlen. Das machen alle so, das habe ich hier gelernt, es hat nichts mit einem pingeligen Schweizer zu tun.

Ich selber verkaufe nicht, sondern schaue, was eingekauft werden muss, was am meisten konsumiert wurde. Immer sind es Bier und Kaffee, dazu Zigaretten. Ich probiere fast täglich Neues aus, Hamburger zum Beispiel würde ich gut verkaufen, aber sehr oft fehlt es an der Lieferbarkeit der Waren. Im Jänner komme ich nach Worb, besuche meine Mutter und nehme dann einen ganzen Koffer Schokolade mit nach Kuba. Schoggi louft hie wie warmi Weggli.

Meine Frau arbeitet daheim, wäscht, putzt und kocht, während ich also das Einkaufen erledige. Um Reis zu kaufen, bin ich manchmal drei bis vier Stunden unterwegs. Ich bin bereits am Einkaufen für Silvester, damit dann nichts beim Essen fehlt. Reis, Poulet, Schwynigs. Poulet hatte ich schon ewig lang nicht in einem normalen Laden gesehen. Alles, was besonders gefragt ist, geht über den Schwarzmarkt – Zucker, Salz und Öl sind immer knapp. Wenn es ein bestimmtes Produkt in einem Laden gibt, stehst du problemlos zwei Stunden in einer Warteschlange. Beim Anstehen rufst du als Erstes in die Schlange, wer der Letzte war, jemand streckt daraufhin die Hand auf und dann stellst du dich dort an. Auch schon passiert: Nach zwei Stunden Warten wird dir das letzte Produkt vor deiner Nase weggeschnappt.

In Kuba war ich 2010 zum ersten Mal, verliebte mich ins Land und später in eine Frau, ging danach jährlich für ein paar Monate dort in die Ferien. Vor drei Jahren entschied ich mich nach Kuba auszuwandern – ich tats mit leichtem Herzen. Innerhalb der hiesigen Familie habe ich Freundschaften, alles andere ist recht oberflächlich. Amigo bist Du sehr schnell, trinkst gemeinsam eine Flasche Rum, aber auf sie zählen kannst du nicht unbedingt. Ausserhalb der Familie habe ich zwei, drei wirklich gute Freunde, gehe sie besuchen oder sie kommen zu mir. Das, was Kubaner an Geld ‹fürig› haben, wird in Rum und Bier investiert, aber selten auswärts konsumiert. Gibt’s hier Feste, drinnen oder draussen, ist der Lärm kein Problem, Reklamationen von Nachbarn kommen nie.

Sollten mich Freunde aus der Schweiz in Kuba besuchen, würde ich ihnen sehr gern das Land zeigen, und Havanna natürlich. Eine Voranmeldung wäre nicht zwingend – ein Telefon, und ich wäre am Flughafen. Bei einer Rundtour würde ich selber nicht fahren, weil mir das Auto zu gross wäre und sich mein Chauffeur besser auskennt. Bei meinem alten Dodge aus dem Jahr ’57 ist nichts mehr original. Die Lenkung kommt von Toyota, die Gangschaltung von Hyundai, der Motor von einem Moskwitsch. Die Kupplung weiss ich nicht mehr, die haben wir kürzlich gewechselt. Was man bei einer Panne macht? Warten. Irgendjemand hält schon an und besorgt Hilfe. Kubaner sind Weltmeister im Improvisieren. 

Aus meinen früheren Zeiten vermisse ich kaum was. Doch jedes Mal, wenn ich in die Schweiz komme, kaufe ich bereits am Flughafen ein anständiges Stück Brot und eine Cervelat. Im Zug nach Bern oder nach Worb wirds dann gegessen. In Worb fragt man mich: ‹Was machst Du in Kuba den ganzen Tag?›. Langweilig wirds mir nie. Der Kubaner ist viel sozialer als wir Europäer. Vielleicht habe ich hier in der nächsten Viertelstunde die Hütte voll.

Draussen vor meinem Haus habe ich, aus den Zeiten, als ich hier eine kleine Beiz führte, eine grosse Figur von Charlie Chaplin aufgestellt. Über diesen sprechen meine Gäste manchmal zwei, drei Stunden. Aber am liebsten lästert der Kubaner. Was mir bei den Gesprächen ebenfalls aufgefallen ist: Der 10-Jährige spricht wie der 80-jährige Grossvater, man spricht immer über das Gleiche, die Interessensgebiete in der Schweiz sind dagegen viel unterschiedlicher. Ah, und was mir noch in den Sinn kommt: Den ‹ä› können sie nicht aussprechen, der Hänu bin ich nur in Worb. Frag mich nicht warum: Hie bin i der Pepe.»

Aufgezeichnet von 
Bernhard Engler

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