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2212_Vis-à-vis Heinz Egger Foto

Vis-à-vis mit Heinz Egger, Jahrring-Auswerter

«E Boum richtig gärn ha? Uf all Fäll! Von daher kann ich sofort verstehen, wenn Menschen Bäume umarmen. Was für einen Weihnachtsbaum wir bei uns in der Stube haben – das muss ich noch überlegen. So oder so: Irgend e Tanneboum muess häre.

Meine ehemalige Berufstätigkeit bestand trotzdem nicht aus Bäume umarmen, sondern wird als Dendrochronologie bezeichnet. ‹Dendro› ist altgriechisch und kommt von ‹Baum›, ‹Chronos› bedeutet ‹Zeit› und somit handelt es sich um die Wissenschaft vom Baumalter. Vermutlich ist die Schweiz das Land mit den weltweit meisten Dendrochronologen pro Einwohner, ich schätze, es sind an die vierzig Personen.

Das Metier erlernte ich nach meinem Biologie-Studium, bei einer Anstellung in Neuenburg. Man schickte mich bald mal nach Deutschland, um dort Erfahrungen zu sammeln, den Dendrochronologen über die Schulter zu gucken. Womit gesagt sein muss, dass die Arbeit vornehmlich nicht in einer Ausgrabungsstätte oder in einer Grube im Wald stattfand, sondern in einem Labor am Leuchtpult.

In Neuenburg drehte sich viel um Pfahlbauten rund um die Gewässer im Seeland, wo ich als junger Forscher schnell mal ein Riesentheater erlebte. Als ich meine Datierung eines Baumes im Nachhinein um vierzig Jahre korrigierte, machte mich ein Uni-Professor an einer Tagung öffentlich zur Schnecke. Wegen vierzig Jahren Differenz bei einem Baum, den ich auf ein Alter von 3500 Jahren eingeschätzt hatte …

Foschungsobjekte bei meiner Tätigkeit waren Altäre, Geigen-Deckblätter, Chor-Gestühle in Kirchen, Holzschnitte von Dürer oder ein Gemälde von Rubens, dieses war direkt auf eine Holzplatte gemalt. Dort war die Frage, ob die Jahrringe eine Bestätigung lieferten, dass die Entstehung des Bildes in die Zeit von Rubens hätte fallen können. Konnten sie nicht. Dafür legte mir mal jemand einen echten Raffael in den Kofferraum, ich ‹Techu zue und abfahre›, aber alles ging gut und das Bild stand bei uns daheim über Monate auf einem Absatz oberhalb unseres Cheminées.

Ein anderes Mal untersuchten wir eine Stradivari-Geige – im Auftrag eines Musikers, der sie von einem englischen Besitzer erwarb und in ihr seine Altersrente sah. Wir untersuchten die Jahresringe, innen im Kasten wie aussen beim Deckblatt, und die Resultate deckten sich völlig. Das heisst, die Geige war deutlich später gebaut worden als zu Stradivari-Zeiten. Den schlechten Bescheid nahm der Besitzer zuerst auf die leichte Schulter, der Verkäufer hätte ihm eh diese Möglichkeit in Aussicht gestellt. Trotzdem hinterliess unser Bescheid beim Geigenbesitzer seine Nachwirkung, denn kurz später rief er mich an: ‹Ich bin völlig kaputt!›, rief er durch die Telefonleitung, und ich musste dann psychiatrische Aufbauarbeit leisten.

Eine der Voraussetzungen, die einem Jahrring-Auswerter entgegenkommen: Geduld haben. Die habe ich zwar nicht gross. Und er sollte schwindelfrei sein. Bin ich nicht. Dafür verfüge ich über Ausdauer und Improvisationsvermögen, habe ein gutes Auge und keine Angst, irgendwo im Pfludi zu hocken oder mich in dreckigen Dachstöcken zu bewegen. Vorzugsweise ist man bereit, mit jemandem zusammenzuarbeiten – bohren, Löcher stopfen, ausmessen, Pläne zeichnen und Notizen machen erfordern meist vier Hände.

Die Messinstrumente helfen bei der Spurensuche, vor allem das Rasier- und Japanmesser und zudem das Binokular, diese Superlupe, mit welcher man bis auf die Zellebene sieht. Und immer wieder kommt es vor, dass ein Baum undatierbar ist, in ca. fünf bis zehn Prozent aller Fälle. Dies trifft unter anderem auf die Linde und die Ulme zu, die beide gern im Inneren faulen. Die Ulme ist übrigens die einzige Baumsorte, die ich bereits mit der Nase bestimmen kann – wenn man sie zersägt, riecht es wie nach Katzen­dreck. Arve und Lärche sind ebenfalls Problemkinder, und die Bäume in der Region Eggiwil sowieso. Die Eichen sind demgegenüber sehr gäbig, und vor allem: A der Wiisstanne han i immer Fröid!

Ab und zu fragte ich mich schon, was eine Grundlagenforschung wie die Dendrochronologie der Gesellschaft bringt. Doch es gibt ein paar Bereiche, wo man nicht immer nur retour in die Vergangenheit blickt. Ein Blick auf die Zusammenhänge zwischen Abgasen und Baum-Jahresringen führt auch in die Zukunft. Was passiert mit Birken, die neben einer Säurefabrik wachsen? Diese reagieren sehr wohl, wogegen Wissenschaftler bei Bäumen, die direkt neben einer Hochspannungsleitung standen, keine Anomalien feststellten.

Wenn ich in oder rund um Worb spaziere, denke ich nicht bei jedem Baum an Jahresringe. Handkehrum: Ich kann kaum einen Raum betreten, ohne dass ich die schönen Balken an der Decke betrachte. Die Frage ist dann nur noch: Wo würd i ga bohre?»

Aufgezeichnet von 
Bernhard Engler

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